Zehren von den Reserven / Kommentar zur Commerzbank von Bernd
Neubacher.
Frankfurt (ots) - Viel hat Finanzvorständin Bettina Orlopp am Donnerstag fürs
dritte Quartal nicht präsentiert, was Anleger zum Kauf der Commerzbank-Aktie
animieren könnte: Die Erträge sinken, die Risikovorsorge springt, und das
Ergebnis vor und nach Steuern ist binnen Jahresfrist ins Minus gedreht. Der
Ausblick ist unsicherer denn je, und dies nicht nur wegen der Covid-19-Pandemie,
sondern auch wegen des Vakuums in der Führung - strategische Fragen wird ohnehin
der erst zum Jahreswechsel antretende neue Vorstandschef Manfred Knof
entscheiden. Dann dürfte abermals ein tiefgreifender Umbau anstehen. Dass das
Institut dabei noch nicht gut 500 Mill. Euro an Kosten­ seiner im vergangenen
Jahr angekündigten Restrukturierung verdaut hat und bei der polnischen Tochter
M-Bank weitere Belastungen wegen in schweizerischen Franken ausgereichten
Krediten drohen, fällt da kaum mehr entscheidend ins Gewicht.

Orlopp tut in dieser Situation, was sie tun muss: Sie legt Eigenkapitalreserven
an, von denen die Bank in den kommenden Monaten zehren kann. Um 2%, doppelt so
rasch wie die Bilanzsumme, oder knapp 4 Mrd. Euro haben sich die Risikoaktiva
allein im dritten Quartal reduziert. Zum einen haben Firmenkunden weniger
Kreditlinien gezogen. Zum anderen beherzigt die Bank inzwischen den Rat der von
der Bundesregierung mandatierten Berater von BCG und sortiert verstärkt
Firmenkunden aus, die Eigenkapital binden, aber kein Ergebnis bringen. Allzu
forsch darf sie dabei indes nicht vorgehen, begibt sie sich damit doch
potenziell auf Kollisionskurs zum staatlichen Großaktionär, dem es zwar um eine
profitable Commerzbank, im Zweifel aber mehr noch um die Finanzierung des
Mittelstands in der Krise gehen dürfte. Dennoch gehört nicht viel zur Prognose,
dass Orlopp die Bilanz auch im Schlussquartal zusammenhalten will, schließlich
entscheidet deren Volumen über die Höhe der Bankenabgabe.

Mit der Emission von Hybridkapital und dank aufsichtlicher Lockerungen hat die
Commerzbank inzwischen einen Puffer von 374 Basispunkten Kapitalquote
geschaffen, der Effekte der Pandemie sowie noch anstehende
Restrukturierungskosten ab­federn kann, bevor die aufsichtliche
Ausschüttungssperre etwa für die Bedienung von Hybridkapital greift. Bei einem
harten Kernkapital von 25 Mrd. Euro eröffnet dies rein rechnerisch einen
Spielraum von 6 Mrd. Euro. Dass die Bank am Donnerstag dieses Polster
herausgestellt hat, verwundert nicht: Fürs Erste ist es ihr einziges Kapital.

(Börsen-Zeitung, 06.11.2020)

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