Neue Spielregeln / Kommentar zur Klimadebatte und Siemens von Michael
Flämig
Frankfurt (ots) - Siemens ist Wirbel gewohnt. Die Liste der Aufregerthemen 
reicht vom Schmiergeldskandal bis zur Debatte über Gasturbinen auf der Krim. Die
jüngsten Turbulenzen sind trotzdem einzigartig. Ein marginaler 
18-Millionen-Auftrag für ein Kohlebergwerk im fernen Australien kostet den 
Konzern den Kredit, den er sich mit seiner gesellschaftspolitischen 
Positionierung in den vergangenen Jahren erarbeitet hat. Klimaschützer mit 
Fridays for Future an der Spitze treiben Siemens  samt seinem Chef Joe Kaeser 
vor sich her. Was ist daraus zu lernen?

Die Lehren sind vielschichtig, aber sie können in einem Satz zusammengefasst 
werden: Die Wirtschaft muss schnellstens die neuen Spielregeln in Zeiten des 
Klimawandels lernen. In der alten Welt mag es möglich gewesen sein, sich als 
Zulieferer für ein Giga-Kohlebergwerk einspannen zu lassen, während in 
Australien der Busch brennt und Fridays for Future seit Monaten Millionen auf 
die Straße bringt.

Nach den neuen Spielregeln ist dies unmöglich, mag die Order noch so klein sein.
Die Klimaschützer sind bestens vernetzt, außerdem alarmieren die Wetterextreme 
viele Menschen rund um den Globus. Ausgerechnet in jenem Jahr, in dem Siemens 
die Energy-Sparte an die Börse bringen will, ist ein gigantischer 
Reputationsschaden die Folge.

Es ist ernüchternd, dass sogar ein globaler Konzern nicht erkannt hat, wie 
gefährlich ein solcher Auftrag sein kann. Es fehlen Strukturen, die eine 
granulare Überwachung kritischer Geschäfte möglich machen. Dieses Problem
reicht
weit über Siemens hinaus. Jedes Unternehmen muss sich prüfen, ob es weiß, was
es
weltweit zur Erderwärmung beiträgt. Wenn Geschäfte abgeschlossen sind, ist es
zu
spät. Schließlich können Vertragspartner zu Recht darauf pochen, beliefert zu

werden.

Wer denkt, er könne sich diesen Kontrollaufwand sparen, weil Klimaschützer auf 
Multis zielten, der liegt falsch. Denn die Aktivisten wie Fridays for Future 
sind nur die Vorhut. In einem zweiten Schritt werden Gerichte über Klimasünden 
urteilen. In den USA laufen die ersten Verfahren. Es kann jeden treffen, der 
seine Prozesse nicht im Griff hat. Noch spürbarer ist der dritte Schritt: 
Regulatoren werden Umwelteinflüsse und Dekarbonisierung thematisieren. Späte 
Reaktionen werden dann teuer.

Klar ist zwar: Klimaschutz ist für deutsche Unternehmen ein vertrautes Thema, 
allerorts gibt es deshalb strategische und operative Veränderungen. Nun aber 
muss es viel schneller gehen als ursprünglich gedacht. Nur wer konsequent 
handelt, bleibt nach den neuen Regeln im Spiel.

(Börsen-Zeitung, 14.01.2020)

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