Börsen-Zeitung: Abschreckungspolitik, Kommentar zur Türkei von
Dietegen Müller
   Frankfurt (ots) - Die Lage in der Türkei spitzt sich immer mehr zu
- nicht nur politisch, auch ökonomisch. Die Stimmen werden lauter, 
die das Land am Bosporus bereits auf dem Weg in eine gefährliche 
Abwärtsspirale sehen. Ablesbar ist dieser voranschreitende 
Vertrauensverlust am drastischen Kursverfall der türkischen Lira. Die
Entscheidung der türkischen Währungshüter, die Liquidität in der 
Landeswährung nun durch den Ausfall einer Ein-Wochen-Repo-Auktion zu 
verknappen, hat den Wechselkurs am Donnerstag kurzfristig zwar 
deutlich gestärkt - wobei hier auch der zur Schwäche neigende Dollar 
hineinspielte. Doch spricht derzeit nichts dafür, dass diese Erholung
in eine Phase der Stabilisierung führt.

   Durch die Verteuerung der inländischen Nachfrage nach 
ausländischen Devisen verlangsamt sich der Kapitalabfluss aus dem 
"Hot Money"-Land wohl. Ökonomen sind sich aber einig: Statt 
Liquiditätsverknappung wäre eine markante Zinserhöhung angesagt. Doch
dazu scheint die türkische Zentralbank (CBT) offenbar nicht mehr 
fähig zu sein, da dies kurzfristig die Wirtschaft belasten würde und 
von Präsident Recep Tayyip Erdogan kategorisch abgelehnt wird. Damit 
verliert die CBT ihre Glaubwürdigkeit, die sie mit ihren Reaktionen 
auf Lira-Schwächen zuletzt 2014 bewiesen hatte. Sie kann 
Stützungskäufe vornehmen, doch ihre Fremdwährungsreserven sind 
endlich und nur einige Tropfen im Feuer.

   Der Aufruf Erdogans, die Notenbank müsse jetzt einen Abwehrkampf 
gegen angeblich substanzlose Devisenspekulationen führen - die er 
noch dazu gleichauf stellt mit bewaffneten Angriffen auf sein Land - 
lassen Schlimmeres befürchten. Von einem tumultuösen Parlament will 
sich der Autokrat das Regieren per Dekret absegnen lassen, dabei 
blendet er aus, was die ökonomischen Gründe für den Lira-Verfall 
sind. Sein Land weist ein hohes Leistungsbilanzdefizit aus, das sich 
über die vergangenen zwölf Monate bis November auf 33,6 Mrd. Dollar 
summierte, rund 4,5% des Bruttoinlandprodukts. Ohne permanente 
Investitionen und Mittelzuflüsse aus dem Ausland kann das Land sein 
Niveau nicht halten. Seit dem gescheiterten Putsch 2016 greift die 
Regierung Erdogan tiefer und tiefer in Freiheits- und Besitzrechte 
ein, was auch Investoren abschreckt. Die Sicherheitslage ist prekär. 
Die Aussicht auf höhere US-Zinsen macht es der Türkei schwer, 
frisches Geld anzulocken. Mit seiner politischen Verhärtung macht 
dies Erdogan ganz unmöglich. Die Lira wird gemessen am Potenzial des 
80-Millionen-Staates viel zu schwach bleiben, die Wirtschaft weiter 
unter Druck geraten. Eine Wende zum Besseren ist nicht in Sicht.

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