Frankfurt (Reuters) - Der frisch gekürte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel stellt eine Fortsetzung der stabilitätsorientierten Geldpolitik der deutschen Notenbank in Aussicht.

Sorgen bereiten ihm die aktuell hohen Inflationsraten in Deutschland und ihm Euro-Raum. "Die Menschen in Deutschland erwarten zu Recht, dass die Bundesbank eine hörbare Stimme der Stabilitätskultur ist. Ich kann ihnen in meiner Funktion hier versichern: Das wird auch so bleiben", sagte Nagel am Dienstag auf einer virtuellen Veranstaltung der Bundesbank, bei der auch der bisherige Bundesbank-Präsident Jens Weidmann verabschiedet wurde. Bundesfinanzminister Christian Lindner und EZB-Präsidentin Christine Lagarde nahmen an der Feierstunde ebenfalls teil.

Er sehe derzeit eher die Gefahr, dass die Inflationsrate länger erhöht bleiben könnte als gegenwärtig erwartet, sagte Nagel. "Auf alle Fälle, und das ist unsere Aufgabe, muss die Geldpolitik auf der Hut sein." Den Menschen bleibe erheblich weniger Geld im Portemonnaie. "Viele Menschen, das ist nachvollziehbar, sind angesichts dieser Kaufkraftverluste zutiefst besorgt." Die Teuerungsrate im Euro-Raum ist im Dezember auf ein neues Rekordhoch von 5,0 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Statistik 1997.

Der 55-Jährige Nagel ist der zehnte Präsident an der Spitze der deutschen Notenbank. Sein Vorgänger Weidmann hatte nach über zehn Jahren seinen Posten vorzeitig geräumt. Nagel wechselte von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel zur Bundesbank nach Frankfurt. Allerdings hat der gebürtige Karlsruher den größten Teil seiner beruflichen Karriere bei der deutschen Zentralbank verbracht. Der Ökonom durchlief dort vor seinem Ausscheiden im Jahr 2016 insgesamt 17 Jahre lang verschiedene Karrierestufen bis hin zum Vorstand.

"Die Bundesbank hat in ihrer Tradition immer frühzeitig auf Inflationsrisiken aufmerksam gemacht," sagte Nagel. Sie habe angemahnt, den sehr expansiven Kurs nicht für zu lange festzuschreiben und sich Handlungsoptionen offen zu halten. "Wenn es die Preisstabilität erfordert, muss der EZB-Rat handeln und seinen geldpolitischen Kurs anpassen."

LAGARDE: NEHMEN INFLATIONSSORGE SEHR ERNST

Bundesfinanzminister Lindner betonte auf der Veranstaltung die Unabhängigkeit der deutschen Notenbank. Auch er ging auf die hohen Teuerungsraten ein: "Viele Menschen blicken in diesen Tagen auf die Entwicklung der Inflation." Dabei verwies er auf jüngste Äußerungen von EZB-Direktorin Isabel Schnabel, dass die EZB stärker als bisher Inflationsrisiken aus der Entwicklung der Energiepreise in den Blick nehmen werde. "Auch die Bundesregierung beobachtet diese Debatte und hält Sensibilität in dieser Frage für richtig", sagte Lindner.

EZB-Präsidentin Lagarde erklärte, die Europäische Zentralbank nehme die Inflationssorgen wahr. "Uns ist bewusst, dass steigende Preise vielen Menschen Sorge bereiten, und wir nehmen diese Sorge sehr ernst." Die Menschen könnten sich darauf verlassen, dass die EZB "unerschütterlich" an ihrem Ziel Preisstabilität festhalte: "Es ist entscheidend für die feste Verankerung der Inflationserwartungen und für das Vertrauen in unsere gemeinsame Währung."

"STETS KLARTEXT"

Über Weidmann sagte sie, er habe im EZB-Rat "stets Klartext gesprochen" und seine Ansichten deutlich auf den Punkt gebracht: "Keiner verkörperte den Kern der Bundesbanktradition, die Mandatstreue, besser als er." Weidmann war mit seiner starken ordnungspolitischen Haltung im EZB-Rat mehrmals angeeckt und mahnte jüngst, die Notenbank solle die Inflationsgefahren nicht ignorieren und wachsam bleiben. Für ihn sei immer zentral gewesen, dass die Notenbank ihr begrenztes Mandat respektiere, sagte Weidmann zum Abschied. "Hier habe ich die Trennlinie zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik sicher enger gezogen als andere."

Auch habe er immer wieder auf Risiken und Nebenwirkungen unkonventioneller Geldpolitik hingewiesen. An die Beschäftigten der Bundesbank gerichtet sagte er: "Bleiben Sie eine hörbare Stimme der Vernunft in den öffentlichen Diskussionen. Und bewahren Sie das wertvolle stabilitätspolitische Erbe der Bundesbank, das diese Institution so einzigartig macht."