Frankfurt (Reuters) - Aus Furcht vor einer schärferen Straffung der US-Geldpolitik als erwartet ziehen sich Anleger aus den europäischen Aktienmärkten zurück.

Dax und EuroStoxx50 fielen am Donnerstag um jeweils etwa eineinhalb Prozent auf 16.052,03 beziehungsweise 4323,64 Punkte. Der US-Standardwerteindex Dow Jones büßte 0,3 Prozent ein.

Auslöser dieser Verkäufe seien die Mitschriften der jüngsten Beratungen der US-Notenbank Fed, sagte Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets. "Was die Märkte scheinbar auf dem falschen Fuß erwischt hat, war die Diskussion um eine Reduzierung der Bilanz, also den Entzug von Liquidität."

Die Diskussion um das sogenannte Quantitative Tightening (QT) deute darauf hin, dass die Inflation der Fed-Führung größere Sorgen bereite als gedacht, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. "Es ist noch nicht so lange her, da sahen sie Zinserhöhungen frühestens 2024 und QT wurde nicht einmal erwähnt."

Portfoliomanager Carlos de Sousa vom Vermögensverwalter Vontobel mahnte jedoch zur Besonnenheit. "Die Tatsache, dass sie Quantitative Tightening diskutieren, bedeutet nicht, dass sie es auch tun werden."

BOND-RENDITEN ZIEHEN KRÄFTIG AN - GOLD UNTER DRUCK

Um ihre Wertpapierbestände abzubauen, kann eine Notenbank das Geld aus auslaufenden Anleihen nicht mehr reinvestieren oder aktiv verkaufen. Vor diesem Hintergrund flogen Staatsbonds aus den Depots. Dies trieb die Rendite der richtungweisenden zehnjährigen US-Treasuries auf ein Neun-Monats-Hoch von plus 1,753 Prozent. Ihre deutschen Pendants rentierten mit minus 0,031 Prozent so hoch wie zuletzt vor gut zweieinhalb Jahren.

Am Aktienmarkt gerieten vor allem Technologiewerte unter die Räder. Der europäische Branchenindex verbuchte mit einem Minus von 2,4 Prozent den größten Tagesverlust seit dem Kursrutsch nach dem Auftauchen der Omikron-Variante des Coronavirus Anfang Dezember zu. Eine steigende Inflation und höhere Zinsen entwerten Experten zufolge zukünftige Gewinne dieser wachstumsstarken Firmen. Die Aussicht auf eine straffere Geldpolitik machte auch die "Anti-Inflationswährung" Gold unattraktiver. Das Edelmetall gab ein Prozent auf 1790 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) nach.

ZINSERHÖHUNGSSPEKULATIONEN SCHIEBEN FINANZWERTE AN

Gefragt waren dagegen Finanzwerte, da ihnen in Phasen steigender Zinsen größere Gewinne winken. Der europäische Banken-Index stieg gegen den Trend um bis zu 1,1 Prozent auf ein Dreieinhalb-Jahres-Hoch von 153,20 Punkten. In den USA verbuchten Geldhäuser wie Bank of America, Citigroup und JPMorgan Kursgewinne von bis zu 3,2 Prozent.

Zu den Favoriten zählten auch die Aktien von ALD, die in Paris acht Prozent zulegten. Die Autoleasing-Firma will für 4,9 Milliarden Euro den Rivalen LeasePlan übernehmen. Das Unternehmen verspricht sich von dem Deal eine Verbesserung des Reingewinns um fünf Prozent ab 2024. Die Titel der ALD-Mutter Societe Generale (SocGen) gewannen 1,7 Prozent.

Mit dem Ölpreis ging es ebenfalls aufwärts. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um zwei Prozent auf 82,37 Dollar je Barrel (159 Liter). Als einen Grund nannte Commerzbank-Analystin Barbara Lambrecht die Unruhen in Kasachstan. "Das Land stemmt derzeit immerhin eine Ölförderung von 1,6 Millionen Barrel pro Tag."