Steigende Anleiherenditen, Angst vor einer geldpolitischen Straffung, gemischte Unternehmensergebnisse und hohe Volatilität sorgen für große Unsicherheit an den Finanzmärkten. So zeigt sich zum Ende der Woche trotz der anfänglichen Erholung eine uneinheitliche Entwicklung. Die Achterbahnfahrt dürfte auch in den nächsten Handelstagen weitergehen, da die Berichtssaison in Schwung kommt und die geldpolitischen Entscheidungen der EZB und der US-Notenbank Fed bevorstehen.
Wochenperformance*
DAX
12730  +2.36%Chart
STOXX EUROPE 600
396.29  +1.27%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
3752.75  +4.74%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
26890.58  -0.74%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1656.60$  +0.55%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
93.46  +1.28%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
0.99$  +1.25%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Tops

Roblox (+20 %): Die Online-Spieleplattform gab diese Woche bekannt, dass die Zahl der täglich aktiven Nutzer innerhalb eines Jahres bis Ende August um 24 % auf 59,9 Millionen gestiegen ist und der Umsatz mit dieser Entwicklung Schritt halten konnte.

Netflix
(+17 %): Der Streaminganbieter vermeldete wieder steigende Abonnentenzahlen und gewann sogar deutlich mehr neue Kunden hinzu als erwartet. Der Jahresausblick ist positiver, als der Markt befürchtet hatte.

Intuitive Surgical
(+14 %): Nachdem der Spezialist für robotergestützte Operationssysteme aus den USA diese Woche sehr gute Finanzergebnisse veröffentlicht hatte, legte die Aktie kräftig zu.

Lockheed Martin
(+13 %): Der US-Rüstungskonzern ist im Aufwind und meldet solide Ergebnisse. Das geopolitische Umfeld bietet Unternehmen dieses Sektors ideale Rahmenbedingungen.

ASML
(+14 %): Das niederländische Unternehmen überraschte positiv. Die US-Sanktionen gegen Chinas Halbleiterbranche dürften nicht allzu sehr auf den Ergebnissen lasten. Der Weltmarktführer für Maschinen zur Produktion von Mikrochips legte unerwartet gute Geschäftszahlen vor.

Delivery Hero
(+12 %): Das Unternehmen profitierte zu Beginn der Woche von einem großen Hebeleffekt durch die Erholung bei US-Technologiewerten. Aktien mit so hohem Beta neigen zur Übertreibung von Kursbewegungen - allerdings in beide Richtungen.

Alstom
(+7 %): Die Anleger nutzten die leicht positive Tendenz zu Beginn der Woche, um günstig nachzukaufen. Zugleich kündigte der Industriekonzern einige größere Aufträge an, was noch mehr Käufer auf den Plan rief.

Flops

Generac (-20 %): Der Markt zeigte sich von den Ergebnissen des Spezialisten für autonome Batterien enttäuscht. Die Gewinne sind im 3. Quartal gesunken und lagen deutlich unter den Prognosen der Analysten. Die Wachstumsaussichten wurden nach unten korrigiert.

Snap
(-20 %): Die Geschäftszahlen fielen erneut enttäuschend aus und der Konzern ist für den restlichen Jahresverlauf weniger optimistisch als zuvor.

Royal Unibrew
(-17 %): Große Enttäuschung bei der kleinen dänischen Brauereigruppe, die ihre Umsatz- und Gewinnprognosen für das Geschäftsjahr nach unten angepasst hat.

Ericsson
(-15 %): Die Quartalsergebnisse des schwedischen Unternehmens stießen auf ein negatives Echo. Die Zahlen sind rückläufig und der Konzern plant weitere Umstrukturierungen zur Reduzierung seiner Kostenbasis.

M&T Bank
(-13 %): Die Bank aus Buffalo vermeldete einen Ergebnisrückgang gegenüber dem Vorjahr. Die Analysten hatten jedoch mit einer Verbesserung gerechnet.

Sartorius Stedim Biotech
(-13 %): Der Konzern enttäuschte die Anleger mit einer Kürzung der Prognosen. Die Aktie steht hoch im Kurs und ist großzügig bewertet. Daher darf sich das Unternehmen keine Fehler leisten.

Adidas
(-8 %): Der Sportbekleidungshersteller senkte erneut seine Ergebnisprognose für 2022. Grund hierfür ist der Absatzrückgang in China, wo die Wirtschaft immer noch unter der Null-Covid-Politik leidet. Auch in den westlichen Märkten lässt die Dynamik zu wünschen übrig.
Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die Ölpreise haben sich in der vergangenen Woche stabilisiert. Die europäische Referenzsorte Brent (Nordsee) notiert aktuell bei ca. 92 USD je Barrel und die US-Referenzsorte WTI bei 84 USD. Am Mittwoch gab die Biden-Administration bekannt, dass sie 15 Millionen Barrel aus ihren strategischen Ölreserven freigeben wird, um die Drosselung der Ölproduktion durch die OPEC teilweise auszugleichen. Genau genommen ist dies allerdings keine überraschende Meldung, sondern vielmehr Teil des Plans der US-Regierung, insgesamt etwa 180 Millionen Barrel aus den US-Ölreserven freizugeben. Die Gaspreise in Europa sinken weiter. Das belegt der Referenzpreis am niederländischen Handelsplatz TTF, der unter 130 EUR/MWh rutschte, nachdem er Ende August einen Höchststand von 350 EUR/MWh erreicht hatte. Die Europäische Kommission setzt statt auf einen Gaspreisdeckel vor allem darauf, die täglichen Preisschwankungen einzudämmen. Außerdem wollen die EU-Chefs gemeinsame Einkäufe der Mitgliedsstaaten fördern, um den Wettbewerb bei der Versorgung zu begrenzen.

Metalle: Am Markt für Basismetalle bot sich vergangene Woche ein gemischtes Bild. Blei und Zinn fielen auf 1.990 bzw. 18.900 USD zurück, doch Zink und Nickel stabilisierten sich bei 2.940 bzw. 21.800 USD. Der Preis für Kupfer liegt aktuell bei etwa 7.560 USD je metrische Tonne. Dem letzten Bericht der International Copper Study Group (ICSG) zufolge dürfte sich das Kupferdefizit in diesem Jahr auf 328.000 Tonnen ausweiten, bevor im Jahr 2023 voraussichtlich ein Überschuss verzeichnet wird. Bei den Edelmetallen notiert Gold erneut auf seinem Jahrestief von 1.620 USD.

Agrarprodukte: Die Vereinten Nationen zeigten sich optimistisch, dass das im November ablaufende Abkommen über einen Korridor für Getreideexporte aus der Ukraine verlängert wird. Dementsprechend verbilligten sich Agrarprodukte an der Börse in Chicago. Der Weizenpreis liegt bei 850 Cent je Scheffel, der Maispreis bei 680 Cent.

Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Absolut düster. Die britische Premierministerin Liz Truss hat nach nur anderthalb Monaten im Amt ihren Rücktritt erklärt. Der Albtraum für Großbritannien geht also weiter. Diese politische Instabilität untergräbt die Glaubwürdigkeit der politischen Klasse, während das Land in einer tiefen Krise steckt. In den USA sorgten wechselhafte Konjunkturdaten nicht gerade für mehr Klarheit. In China lieferte der 20. Kongress der Kommunistischen Partei keine nennenswerten Neuigkeiten. Die machthabende Partei unterstrich Chinas weltweite Vormachtstellung, präsentierte Xi Jinping als Star und bewegte sich bei der Coronapolitik nur wenig.

Anleihen: Die Anleiherenditen zeigten sich zu Beginn der Woche erstaunlich entspannt. Das änderte sich allerdings rasch. Vor allem in den USA schnellten sie auf die höchsten Niveaus seit der Finanzkrise und erreichten 4,28 %, 4,40 % und 4,55 % für Laufzeiten von 10 Jahren, 5 Jahren bzw. 2 Jahren. Die Finanzwelt geht immer noch fest von einer Rezession aus und ist sich nicht darüber einig, wie weit die Fed an der Zinsschraube drehen wird. Vielleicht, weil die US-Notenbank es selbst nicht weiß? In Europa beruhigten sich britische Staatsanleihen nach dem Rücktritt von Liz Truss etwas, die Renditen verharren allerdings mit 4,05 % auf recht hohem Niveau. Zehnjährige deutsche Bundesanleihen rentieren bei 2,46 % und französische Staatsanleihen mit gleicher Laufzeit bei 3,02 %. Am Freitag kletterte die Rendite der griechischen Pendants auf 5,06 %.

Devisen: Für den Yen war es erneut eine schwierige Woche, in der er gegenüber dem US-Dollar weiter verlor. Japans Währung hat im Jahr 2022 gegenüber dem Greenback fast ein Drittel ihres Werts eingebüßt, sodass ein US-Dollar inzwischen 151,48 JPY kostet. Die japanische Zentralbank hat bereits große Summen ausgegeben, um die anhaltende Talfahrt zu stoppen, bislang allerdings ohne Erfolg. Der starke US-Dollar hat weiterhin gravierende Folgen und zwingt die Schwellenländer, ihre Devisenreserven schneller zu verbrauchen als in früheren Phasen der Währungsschwäche. Für einen Euro müssen derzeit 0,9774 USD bzw. 0,9862 CHF bezahlt werden.

Kryptowährungen: Der Bitcoin ist seit Montag um 1,50 % gefallen und zeigte im Wochenverlauf eine sehr geringe Volatilität. Bei Redaktionsschluss bewegte er sich im Bereich von 19.000 USD. Der gemessen an der Marktkapitalisierung zweitwichtigsten digitalen Währung Ethereum erging es nicht viel besser. Sie beendete die Woche 2,30 % tiefer und rutschte unter die Marke von 1.300 USD. In einem fragilen wirtschaftlichen Umfeld, das kaum positive Katalysatoren für Risikoanlagen bietet, kommen Kryptowährungen nur schwer wieder auf die Beine. Die Fans des Kryptouniversums müssen sich also weiterhin gedulden.

Termine: Der Kalender ist nächste Woche prall gefüllt. Die geldpolitischen Entscheidungen für die Eurozone und in Japan werden am Donnerstag (27.10.) bzw. Freitag (28.10.) erwartet. Darüber hinaus stehen die ersten BIP-Schätzungen für das 3. Quartal in China (voraussichtlich am Mittwoch) und in den USA (am Donnerstag) auf dem Programm. Weitere wichtige Konjunkturdaten sind die Einkaufsmanagerindizes für Oktober (24.10.) und die aktuellen Zahlen zur US-Verbraucherpreisinflation (28.10.). Als Krönung werden über 300 Unternehmen aus dem S&P 500 und dem Stoxx Europe 600 (darunter Apple, Microsoft und Amazon in den USA sowie Novartis, SAP und TotalEnergies in Europa) ihre Zahlen vorlegen.

Kurs und Volumen
Im Ergebnis gar nicht so schlecht?
Die Märkte blicken erneut auf eine lebhafte Woche zurück. Nachdem die wichtigsten Börsenplätze der Welt zu Wochenbeginn aufwärts tendierten, folgte eine eher zögerliche Phase. Die Berichtssaison startete mit einem Paukenschlag und kräftigen Kurssprüngen nach oben ... aber auch nach unten, bei der kleinsten Enttäuschung. Die nächste Woche wird extrem spannend, da zahlreiche Index-Schwergewichte ihre Ergebnisse veröffentlichen, unter anderem die Big Five des IT-Sektors. Werden wir Licht am Ende des Tunnels sehen? Wird es aufgrund enttäuschender Unternehmensberichte weiter abwärts gehen? In diesem unverändert schwierigen Marktumfeld sollten wir wachsam bleiben. Das Jahr 2022 markiert mit Blick auf den wirtschaftlichen Superzyklus nach der Finanzkrise von 2007/2008 definitiv einen wichtigen Wendepunkt.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.