Ängste vor einer wirtschaftlichen Abkühlung und Ungewissheiten über den geldpolitischen Kurs der Zentralbanken belasteten die europäischen Märkte diese Woche. Die führenden Indizes litten zudem unter der Meldung, dass die Eurozone in eine technische Rezession gerutscht ist. Die Wall Street konnte sich jedoch gut behaupten. Sie profitierte von der Entwicklung der Technologiewerte und der Erwartung, dass die US-Notenbank Fed in der kommenden Woche eine geldpolitische Pause einlegen wird.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
460.01  -0.46%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
4298.86  +0.39%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
32265.17  +2.35%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1960.78$  +0.59%
Chart GOLD
BRENT OIL
74.94$  -3.66%
Chart BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.07$  +0.46%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

TOPS

888 Holdings (+40%): FS Gaming Investments hat an dem in London notierten Glücksspielunternehmen eine Beteiligung von 6,6% erworben. Die Investmentgesellschaft wird von namhaften Experten aus der Glücksspiel- und Wettbranche unterstützt: Kenny Alexander, Lee Feldman und Shay Segev, allesamt ehemalige Top-Manager der GVC Holdings plc, die heute unter Entain plc firmiert. Nachdem die Aktie zuvor infolge des hohen Verschuldungsgrades, plötzlicher Abgänge in der Unternehmensleitung und Geldstrafen wegen Versäumnissen bei der Geldwäschebekämpfung nachgegeben hatte, konnte sie sich nun deutlich erholen.

Gitlab (+36%): Für das abgelaufene Quartal vermeldete die US-amerikanische Plattform für kollaborative Softwareentwicklung einen Verlust, der nicht so hoch wie befürchtet ausfiel, sowie stark gestiegene, über den Erwartungen liegende Umsatzerlöse, die vom Abonnementsegment und von Lizenzerträgen getragen wurden. Das Unternehmen hob folglich seinen Ausblick für das Geschäftsjahr an. Darüber hinaus kündigte der Konzern an, noch in diesem Jahr ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Produkt auf den Markt bringen zu wollen, das unter anderem Vorschläge für die Programmierung von Software machen soll. Zudem profitierte die Aktie von günstigen Analysteneinschätzungen.

Icahn (+25%): Für Icahn Enterprises sieht es wieder rosiger aus. Im vergangenen Monat war die Unternehmensgruppe des Investors Carl Icahn Opfer eines Berichts des Leerverkäufers Hindenburg Research geworden, woraufhin der Kurs abstürzte. Als Hindenburg von Icahn abließ, ging es für die Aktie wieder bergauf. Zudem tauchte ein neuer Katalysator auf: Ein Großinvestor scheint eine beachtliche Position in Titeln des Konzerns aufgebaut zu haben. Das sorgt für Aufmerksamkeit bei den Anlegern und gibt Spekulationen rund um die Aktie Auftrieb.

Warner Bros Discovery (+19%): Der Medien- und Unterhaltungsgigant, der durch die Fusion von Warner Bros. und Discovery entstanden ist und dadurch eine hohe Verschuldung aufweist, hat eigenen Angaben zufolge dank intensiver Kostensenkungsmaßnahmen einen Teil seiner Schulden getilgt. Zudem bezirzte der Konzern die Anleger mit der Ankündigung seines Plans zur Rentabilisierung seines Streamingdienstes ab diesem Jahr, also ein Jahr früher als geplant. Scheinbar gefiel dem Markt auch der Weggang von Chris Licht (CEO von CNN, einer Tochtergesellschaft von WBD), der sich unter anderem bei der Einführung des Streamingdienstes CNN+ die Finger verbrannt hatte.

Lotus Bakeries (+12%): Der belgische Keksproduzent ist krisenfest. Nachdem die deutsche Privatbank Berenberg ihre Empfehlung geändert und ihr Kursziel auf 7.000 Euro angehoben hatte, gab es für die Aktie kein Halten mehr. Lotus profitiert von der Stärke seiner Wettbewerber im Bereich süße Snacks und hat daher seinen Ausblick für das laufende Jahr angehoben. Darüber hinaus rechnen die Beobachter ausgehend von den Investitionen in die Produktionskapazitäten mit einer Margensteigerung.

Tesla (+10%): Bei dem Elektrofahrzeugbauer gibt es drei gute Neuigkeiten: Der Konzern hat im Mai in China mehr Fahrzeuge verkauft als im April, alle Versionen des Model 3 sind für die Steuergutschrift von 7.500 USD im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) zugelassen und die angekündigten Produktionsvolumina des Cyber Truck übertreffen die Markterwartungen. Die Ankündigung einer Zusammenarbeit mit GM bei Tesla Superchargern und Gerüchte um Investitionen in neue Produktionsstätten in Spanien und Indien ließen den Aktienkurs ebenfalls steigen.

Orsted (+7,5%): Der dänische Energieriese stellte gestern seine strategischen Pläne vor: Der Konzern kündigte Investitionen von über 68 Mrd. EUR an, um seine Unternehmensziele bei erneuerbaren Energien zu erreichen und in diesem Bereich Weltmarktführer zu werden. Mit der umfangreichsten Projektpipeline bei Offshore-Windkraftanlagen in Europa, in den USA und in der Region Asien-Pazifik scheint Orsted auf einem guten Weg, diese Ziele zu realisieren. Zudem profitiert der Konzern von einer Anhebung der Empfehlungen und Kursziele verschiedener Analysten.

FLOPS

Storskogen (-10%): Die schwedische Unternehmensgruppe ist auf die Übernahme von Dienstleistungs-, Handels- und Industriefirmen spezialisiert. In der vergangenen Woche gab sie bekannt, unbesicherte vorrangige Anleihen im Wert von 1,5 Mrd. Kronen ausgeben zu wollen. Ende Mai hatte sie bereits den Haushersteller Skidsta Hus und den Farbenhersteller Dextry Group (Firmenwert insgesamt 450 Mio. Kronen) veräußert.

Lumen Technologies (-11%): Der US-Anbieter von Telekommunikationsnetzen enttäuscht: Der prognostizierte Rückgang des Jahresumsatzes um 19% bleibt hinter den Markterwartungen zurück und die Dividende wird gekürzt. Das Management verkündete beim Investorentag einen Sanierungsplan und erwartet nach eigenen Aussagen bis Ende 2024 bei Umsatz und Gewinn schwierigere Bedingungen.

Coinbase (-15%): Wegen juristischer Verwicklungen ging die Aktie der führenden Kryptowährungsbörse in den Keller. Die US-Börsenaufsicht SEC wirft dem Konzern vor, sich nicht an die Vorschriften gehalten zu haben: Das Unternehmen soll bewusst Geschäftsentscheidungen zur Einnahmensteigerung, vor allem aus Handelsgebühren der Kundschaft, getroffen haben. So soll Nutzern der Handel mit Krypto-Assets, von denen einige als nicht registrierte Wertpapiere gelten, ermöglicht worden sein.

Croda (-17%): Die Aktie des britischen Spezialisten für Chemieprodukte stürzte diese Woche nach einer Gewinnwarnung ab. Demnach erwartet das Unternehmen 2023 einen Jahresgewinn zwischen 370 und 400 Mio. GBP, was einem Rückgang um 52% gegenüber den 780 Mio. GBP im Jahr 2022 entspricht. Der massive Abbau von Lagerbeständen seiner Kunden drückt auf die Absatzmengen und trifft auch Mitbewerber, wie die deutsche Wacker Chemie (-8%).

Epam Systems (-18%): Der US-Anbieter von Software-Engineering hat diese Woche seine Gewinn- und Umsatzaussichten für das 2. Quartal und für das gesamte Geschäftsjahr gesenkt. Begründet wurde dies mit der schwindenden Nachfrage im "Build"-Segment und düsteren Aussichten am Markt für Informationstechnologie. Außerdem machen dem Unternehmen der Rückzug aus Russland und der Ukraine-Konflikt zu schaffen, wo es 20% seiner Mitarbeitenden beschäftigt.

Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die erhoffte Wirkung trat nicht ein: Saudi-Arabien ist im Alleingang vorgeprescht, um die Ölpreise zu stützen und die Verkaufspositionen auf Öl anzugreifen. Das Königreich verpflichtete sich, sein Ölangebot ab dem 1. Juli für einen Monat einseitig um 1 Mio. Barrel pro Tag zu reduzieren. Bei Bedarf kann die Absenkung verlängert werden. Dieser Schritt löste jedoch keinen Kaufdruck auf die Ölpreise aus. So gaben die Preise für die europäische Sorte Brent (-2,60% auf 75,80 USD) und ihr US-amerikanisches Pendant WTI (-3,10% auf 71 USD je Barrel) zum Wochenschluss nach. Die Botschaft ist klar: Die Finanzmärkte pflegen nach wie vor ihre Rezessionsängste - auf Kosten einer Verengung des Ölmarktes, die mit Riesenschritten näher rückt. Andererseits stimmen die aktuellen Daten aus China eher zuversichtlich, denn die Ölimporte sind im Monatsvergleich um 17% gestiegen.

Metalle: Das Segment Industriemetalle entwickelte sich diese Woche eher unspektakulär. Die Preise pro Tonne tendierten insgesamt weiter seitwärts und lagen bei rund 8300 USD für Kupfer, 2100 USD für Aluminium und 2350 USD für Zink. Gold erholte sich leicht auf 1.960 USD, während China in seinen Devisenreserven die Goldbestände weiter erhöht. Im Mai kaufte China 0,5 Mio. Unzen Gold.

Agrarprodukte: Die Getreidepreise an der Börse in Chicago legten diese Woche etwas zu. Weizen und Mais werden aktuell mit 628 bzw. 600 Cent je Scheffel gehandelt.
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Die Zinsentscheide der Fed und der EZB werden nächste Woche mit Spannung erwartet. Derweil überraschten die australische und die kanadische Zentralbank den Markt mit der Wiederaufnahme ihrer Zinserhöhungen. Dieses Negativsignal trübte die Stimmung der Anleger kurzfristig. Sie hellte sich allerdings rasch wieder auf, als sich die US-Konjunkturindikatoren (Dienstleistungssektor, Arbeitsmarkt) eintrübten, wodurch eine Lockerung der Geldpolitik seitens der Fed wahrscheinlicher wird. Es gilt also weiterhin "schlechte Nachrichten aus der Wirtschaft sind gute Nachrichten für die Finanzmärkte", solange die Negativmeldungen aus der Wirtschaft nicht allzu schlecht sind. Nach wie vor wird in den USA in zwei Monaten mit einer Rezession gerechnet. Und das nun schon seit einem Jahr.

Devisen: Der Dollar-Index, der den Greenback mit sechs Leitwährungen vergleicht, trat in dieser Woche weitgehend auf der Stelle. Er schloss mit rund 103,5 Punkten und damit nahezu auf dem bereits am Freitag vergangener Woche verzeichneten Niveau. Zur Wochenmitte schien sich eine Erholung abzuzeichnen, doch nach den Zugewinnen kam es konsequenterweise zu einem Rücksetzer. Der US-Dollar wertete praktisch synchron mit den unerwarteten Leitzinsanhebungen durch die Reserve Bank of Australia und die Bank of Canada auf. Die in dieser Woche unter den Erwartungen gebliebenen US-Arbeitsmarktdaten ließen ihn jedoch erneut fallen. Die nächste Woche dürfte nochmals volatil verlaufen, denn es stehen wieder einmal Leitzinsentscheidungen der EZB und der US-Notenbank Fed an. Der Schweizer Franken stieg gegenüber dem Euro auf 0,9695, nachdem der Chef der Schweizerischen Nationalbank hatte verlauten lassen, dass der Zinserhöhungszyklus für die Eidgenossenschaft noch nicht abgeschlossen sei. Die größte Abwärtsbewegung zeigte diese Woche die türkische Lira (auf 23,50 TRY für 1 USD), denn die gerade neu ernannte Notenbankchefin dürfte weniger geneigt sein, die Währung zu verteidigen.

Anleihen: An der Zinsfront war die Woche von unerwarteten Meldungen geprägt: Sowohl die australische als auch die kanadische Notenbank erhöhten ihre Leitzinsen um 25 Basispunkte auf 4,10% bzw. 4,75% - mit dem Ziel, die noch immer als zu hoch empfundene Inflation weiter einzudämmen. Da liegt die Annahme doch sehr nahe, dass die Fed und die EZB nächste Woche nachziehen, doch schließen wir uns dieser Sichtweise nicht an. Und damit sind wir nicht allein, denn laut dem von der CME Group entwickelten FedWatch Tool gehen 72% der Anleger davon aus, dass in der kommenden Woche alles beim Alten bleiben dürfte. Natürlich bleiben die Händler in diesem Umfeld defensiv. Dies zeigt auch die praktisch unveränderte Rendite 10-jähriger US-Treasuries, die zwar über 3,60% liegt, aber eben nur knapp. Auch den über zehn Jahre laufenden deutschen Bundesanleihen ergeht es nicht besser, denn deren Rendite bewegt sich aktuell zwischen 2,55% und 2,18%.

Kryptowährungen: Trotz der schweren Anschuldigungen der US-Börsenaufsicht SEC gegen die beiden Krypto-Schwergewichte Binance und Coinbase gab der Kurs des Bitcoin diese Woche nur um gut 1% nach und bewegte sich zum Redaktionsschluss um die 26.700 USD. Ether geriet indes unter etwas stärkeren Druck: Die Währung gab über 2% ab und schloss bei etwa 1.850 USD. Da noch immer nicht absehbar ist, wie der Regulierungsrahmen für Kryptowährungen künftig aussehen soll, lassen die US-Aufsichtsbehörden die Dinge im Ungefähren, tendieren seit der FTX-Pleite Ende letzten Jahres aber dennoch zu einer immer strengeren Linie. Die in dieser Woche gegen die beiden Kryptogiganten angestrengten Klagen tragen zur allgemeinen Nervosität und Unsicherheit der Kryptoinvestoren bei.

Termine: Die nächste Woche startet mit einem recht ruhigen Montag. Anschließend wird es mit der Veröffentlichung zahlreicher Wirtschaftsdaten, vornehmlich aus den USA, deutlich turbulenter. Am Dienstag werden morgens die aktuellen Zahlen der Arbeitssuchenden in Großbritannien erwartet, später folgen die US-Inflationszahlen und eine Rede des BoE-Gouverneurs Bailey. Der Terminkalender am Mittwoch ist besonders prall gefüllt mit der Veröffentlichung der US-Erzeugerpreise, dem Zinsentscheid der Fed und den vorangehenden Sitzungen des Offenmarktausschusses. Am Donnerstag gibt China seine aktuellen Zahlen zur Industrieproduktion und zu den Einzelhandelsumsätzen gegenüber dem Vorjahr bekannt. Die EZB wird ihren Zinsentscheid präsentieren, anschließend eine Erklärung zur Geldpolitik abgeben und eine Pressekonferenz halten. Und bei der Bank of Japan (BoJ) stehen der Zinsbeschluss und eine Pressekonferenz im weiteren Tagesverlauf auf der Agenda. Darüber hinaus wird der US-Verbrauchervertrauensindex erwartet.

Kurs und Volumen
Die Fed im Rampenlicht
Die vergangene Woche verlief relativ ruhig. Doch die Volatilität kann jederzeit zurückkehren, wenn am Dienstag die US-Inflationszahlen für Mai veröffentlicht werden und sich anschließend die Fed, EZB und BoJ zu Wort melden. Die Fed könnte auf ihrer Sitzung am 14. Juni eine Zinspause einlegen, während die EZB ihren Leitzins höchstwahrscheinlich um 25 Basispunkte anheben und für die Zukunft sicherlich eine kräftigere Straffung ankündigen wird (Sitzung am 16. Juni.) Wir wünschen Ihnen allen ein schönes Wochenende!
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.