Von James Mackintosh

NEW YORK (Dow Jones)--Die Stimmung der in Davos versammelten weltweiten Finanzelite ist in der Regel ein nützlicher Indikator für Investitionen. Wie auch immer sich diese Spitzenkräfte fühlen, tun Sie das Gegenteil. Das fällt indes in diesem Jahr schwer.

Die Banker, Führungskräfte und Politiker waren zwar optimistischer, aber nur im Vergleich zu ihrem Pessimismus von vor ein paar Monaten. Genau wie die Märkte hat sich diese Stimmung ein wenig erholt, liegt aber immer noch tiefer als vor einem Jahr zu diesem Zeitpunkt. Die gleichen Unsicherheiten, die die Anleger beunruhigen, verwirren auch die Eliten.

"Es gibt einen relativen Optimismus, aber ich würde ihn eher als ein Gefühl der Erleichterung über das bezeichnen, was eigentlich eine Katastrophe sein sollte und stattdessen vielleicht nur eine leichte Rezession ist", sinniert Stefano Aversa, stellvertretender Vorsitzender der Unternehmensberatung lixpartners.


Schnappt die Bärenmarkt-Falle zu? 

Ein so genannter Contrarian würde sagen, dass die leicht optimistische Stimmung ein Zeichen dafür ist, dass der Anstieg des S&P 500 um etwa 10 Prozent seit September nicht mehr als ein Bärenmarktaufschwung ist, der nicht lange anhält. Damit einher ging ein Rückgang der Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen - von einem Höchststand von 4,2 Prozent im Oktober auf unter 3,4 Prozent.

Das verlieh denjenigen, die sich über die steigenden Kosten der Verschuldung Sorgen machen, einen enormen Schub. Die Märkte sollten jedoch die Tatsache berücksichtigen, dass die schlimmsten Befürchtungen vom Herbst nicht eingetreten sind. Damals waren die drei größten Befürchtungen die galoppierende Inflation, die Energieknappheit in Europa und die endlose Selbstisolation Chinas im Corona-Modus.

Die Inflationsrate in den USA ist schnell gesunken, der milde Winter hat für ausreichend Erdgas in Europa gesorgt und China hat die Welt mit seiner überraschenden Wiedereröffnung verblüfft. Um es in den Worten manches Anlegers zu sagen. Der Markt hat die Klippe der Angst umschifft.


Angst vor höheren Öl- und Gaspreisen bleibt 

Inmitten der verbesserten Stimmung gibt es zwei verbleibende große Sorgen für das Jahr, die beide dazu führen könnten, dass sich der Bärenmarkt wieder durchsetzt. Die erste ist die Kehrseite der Wiedereröffnung Chinas. Ein besser funktionierendes China ist zweifellos eine gute Nachricht für das Wirtschaftswachstum sowohl im Land selbst als auch bei seinen Handelspartnern.

Aber es bedeutet auch, dass China viel mehr Energie verbraucht, was den Preis für Öl und das international gehandelte Flüssigerdgas, auf das Europa jetzt angewiesen ist, in die Höhe treiben und damit die Inflation anheizen könnte.

Seit der Wiedereröffnung sind die Ölpreise zwar leicht gestiegen, aber sie rangieren immer noch niedriger als wenige Tage vor der Aufhebung der Einschränkungen Anfang vergangenen Monats.

"Es ist merkwürdig", meint José Viñals, Vorsitzender der auf Schwellenländer ausgerichteten Bank Standard Chartered. "Meine Vermutung ist, dass wir zu höheren Ölpreisen übergehen werden. Es wird nicht allzu viel sein, aber immer noch erheblich."

Ein anderer Teil des Nachfrageschubs aus einem wieder geöffneten Reich der Mitte - insbesondere Tourismus und Rohstoffe - wird auch andernorts zur Inflation beitragen, was für die Märkte eine schlechte Nachricht wäre. Ein gewisser Ausgleich dürfte sich aus der Beseitigung des verbleibenden Drucks auf die Lieferketten ergeben, sobald die kurzfristige Covid-Krise überwunden ist. Aber es ist schwer vorstellbar, dass dies ausreicht, um die zusätzliche Nachfrage - insbesondere nach Energie - wettzumachen.


Werden die Botschaften der Fed verstanden? 

Die zweite Sorge besteht darin, dass der Markt übermäßig zuversichtlich wird, dass die US-Notenbank Fed noch in diesem Jahr zu niedrigeren Zinsen übergeht, da sich die Inflation abkühlt. Anleger könnten weit übers Ziel hinausdenken, obwohl die Währungshüter gebetsmühlenartig wiederholen, dass die Zinsen bis 2024 hoch bleiben.

"Die Fed versucht, die Märkte von etwas zu überzeugen, und die Märkte scheinen das zu überlesen", argumentiert CEO Charles Emond von der Caisse de dépôt et placement du Québec, die Gelder von Pensionsfonds der Provinz investiert. "Die Fed hat keinen Anreiz, die Zinsen frühzeitig zu senken." Axa-Chef Thomas Buberl meint, dass weitere Probleme auf die Märkte zukommen, da die Unternehmen ihre Schulden nach den raschen Zinserhöhungen des vergangenen Jahres zu höheren Kosten refinanzieren müssen.

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January 23, 2023 09:39 ET (14:39 GMT)