MÜNCHEN (awp international) - Der Elektrokonzern Siemens stellt sich grundlegend neu auf. Das Unternehmen will Sparten zusammenlegen und sich künftig auf drei operative Bereiche konzentrieren, teilte Siemens am Mittwochabend in München mit. Den einzelnen Geschäften soll deutlich mehr unternehmerische Freiheit unter der Marke Siemens gegeben werden. Zudem setzte der Konzern den neuen Bereichen ehrgeizige Margenziele.

Siemens will dabei in neue Wachstumsgebiete investieren, wie etwa in das Internet der Dinge, dezentrales Energiemanagement oder infrastrukturelle Elektromobilität. Ausgebaut werde auch die industrielle Digitalisierung. Für 600 Millionen Euro übernimmt Siemens etwa das Unternehmen Mendix, ein US-Anbieter im Bereich der Cloud-basierten Programmierplattformen. Die Transaktion soll im ersten Quartal abgeschlossen werden.

Mit diesen Massnahmen sollen mittelfristig die jährliche Wachstumsrate des Umsatzes und die Gewinnmarge des Industriellen Geschäfts um jeweils zwei Prozentpunkte steigen. Für 2017/18 hatte sich Siemens eine Marge im Industriegeschäft von 11 Prozent gesetzt. Das Ergebnis je Aktie soll mittelfristig stärker wachsen als der Umsatz.

"Die Geschwindigkeit und Mächtigkeit der globalen Veränderungen nehmen zu und wir haben die Pflicht, diese zu antizipieren", sagte Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser. Es wäre "unverantwortlich", sich auf erreichten Erfolgen auszuruhen. Die Digitalisierung sei die grösste Veränderung in der Industriegeschichte. "Nicht die grössten Unternehmen werden überleben, sondern die anpassungsfähigsten."

In den drei neuen Sparten Gas & Power, Smart Infrastructure sowie Digital Industries sollen die bisherigen Bereiche Gebäudetechnik, Energiemanagement, das Kraftwerksgeschäft, grosse Teile des Bereichs Prozessindustrie und Antriebe sowie die Digitale Fabrik aufgehen. Die drei Chefs der Sparten - Lisa Davies (Gas & Power), Cedrik Neike (Smart Infrastructure) sowie Klaus Helmrich (Digial Industries) sollen unverändert Mitglieder des Konzernvorstandes bleiben. Die neue Struktur gelte ab 1. Oktober. Die Zentrale soll sich künftig auf Kernaufgaben wie Finanzen, Recht, Personalwesen und Kommunikation beschränken. "Weniger Steuerung durch die Zentrale und mehr Freiheit für die Geschäfte machen uns stärker und flexibler", sagte Kaeser. Zudem wird eine neue Service-Einheit geschaffen, der unter anderem der Bereich finanzielle Dienstleistungen zugeordnet wird.

Für die drei Bereiche setzte sich Siemens neue Margenziele für das bereinigte operative Ergebnis (Ebita). Bei Gas und Power, in dem künftig neben dem Kraftwerksgeschäft auch Teile des Energiemanagements gebündelt werden, liegt das Renditeziel bei 8 bis 12 Prozent. 2017 wäre dieser Bereich auf eine vergleichbare Gewinnmarge von 9 Prozent gekommen. Die Sparte erreicht derzeit einen Jahresumsatz von 21 Milliarden Euro.

Smart Infrastructure, das etwa die Gebäudetechnik sowie das Geschäft mit intelligenten Netzen umfasst, soll seine Marge von 11 Prozent mittelfristig auf 10 bis 15 Prozent steigern. Die Sparte kommt auf einen Jahresumsatz von 14 Milliarden Euro. Die dritte Sparte, Digital Industries, in der das Geschäft mit der Digitalisierung sowie Teilen der Sparte Process & Drives, etwa die Automatisierung, zusammengefasst sind, soll die Ebitda-Marge von rund 16 Prozent auf 17 bis 23 Prozent steigern.

Es ist der nächste Schritt in der Weiterentwicklung von Siemens. Der Konzern hat in den vergangenen eineinhalb Jahren mit der Windenergie, der Medizintechnik sowie dem Bahngeschäft drei Bereiche ausgegliedert beziehungsweise die Abspaltung auf den Weg gebracht. Die Geschäfte sollen so unabhängiger von der Zentrale agieren und sich schneller auf neue Gegebenheiten einstellen können./nas/he