Womöglich sei dazu "eine langanhaltende Diskussion" der Aufseher erforderlich, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der Europäischen Zentralbank der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag am Rande des G7-Treffens in Chantilly. Erst nach Ausräumung aller Bedenken könne das soziale Netzwerk auf grünes Licht hoffen. Coeure leitet eine hochrangige Arbeitsgruppe zu solchen Digitaldevisen, die von der Gruppe der sieben führenden Industriestaaten (G7) eingerichtet wurde.

Die globale Reichweite von Facebook bedeutet Coeure zufolge, dass Libra sowohl für Nutzer, das Finanzsystem und die Behörden von Tag eins an sicher sein muss. "Das ist kein Lernprozess: Entweder es funktioniert oder nicht." Das weltgrößte Netzwerk hatte im Juni angekündigt, in der ersten Hälfte 2020 eigenes Digitalgeld mit dem Namen "Libra" einführen zu wollen. Anders als die Cyberwährung Bitcoin, soll Libra ein "stablecoin" sein, der sich an einem Korb von Währungen orientieren und damit weniger schwankungsanfällig sein soll. Das Projekt stieß in vielen Ländern auf großes Misstrauen. Die Gruppe der G7-Staaten äußerten auf ihrem Treffen in Chantilly ernste Bedenken.

Aufseher und Finanzregulierer befürchten unter anderem, dass Libra zur Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung genutzt werden könnte. Sie wollen zudem wissen, welche Sicherheitsnetze Facebook und die anderen Mitglieder des Libra-Konsortiums in Anschlag bringen, um auch einem möglichen Ansturm auf die Reserven widerstehen zu können. Auch die Eigentumsrechte der Nutzer und ihre Privatsphäre sollen geschützt werden. Facebook hatte vor wenigen Tagen angekündigt, Libra nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörden einführen zu wollen.

Coeure zufolge könnten die Beratungen darüber, wie nationale und internationale Regeln geändert werden müssen, um auch Libra abzudecken, womöglich längere Zeit in Anspruch nehmen. "Die Behörden werden derartige Projekte nicht geschehen lassen, bevor wir nicht Antworten besitzen auf unsere Fragen und wir den richtigen regulatorischen Rahmen haben." Bislang gibt es bei den Vorschriften für Kryptowährungen noch einen weltweiten Flickenteppich. Die Technologie ist weitgehend unreguliert. Coeure sieht es zudem skeptisch, wenn Länder die Hoheit über ihr Währungssystem lockern und privaten Unternehmen überlassen. Es sei kein Fortschritt, währungspolitische Souveränität von den Regierungen auf multinationale Konzerne zu verlagern.

Die von ihm geleitete Arbeitsgruppe werde bis zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Oktober weiter an dem Thema dranbleiben. Danach werde sich der Finanzstabilitätsrat (FSB) damit befassen. Der FSB, der 2009 als Reaktion auf die Finanzkrise von den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern (G20) gegründet worden war, ist unter anderem für die internationalen Standards in der Finanzwirtschaft zuständig. Er soll die Arbeit der Regulierer und Aufseher koordinieren.