Der langjährige Vorstandschef Dieter Zetsche (65) übergibt seinen Posten im Mai 2019 an den bisherigen Forschungschef Ola Källenius, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Der 49-jährige Schwede erbt von Zetsche auch die Leitung der Pkw-Sparte Mercedes-Benz. Der erste ausländische Vorstandschef an der Spitze von Daimler wird damit zum starken Mann des Konzerns nach dem für 2019 geplanten Umbau. Zetsche soll dem Autobauer - den üblichen Standards guter Unternehmensführung folgend - nach einer zweijährigen Abkühlphase als oberster Kontrolleur erhalten bleiben. Der Hauptversammlung 2021 werde der Aufsichtsrat vorschlagen, Zetsche als Nachfolger von Manfred Bischoff (76) zum Chef des Gremiums zu wählen.

"Der Aufsichtsrat will in Anbetracht der Herausforderungen der Transformation in der Automobilbranche frühzeitig die Weichen für eine geeignete Nachfolge stellen", erklärte das Unternehmen. Källenius wurde schon lange als Kronprinz gehandelt - doch jetzt geht es schneller als erwartet, denn Zetsches Vertrag lief ursprünglich bis Ende nächsten Jahres. Sein Nachfolger übernimmt das Steuer in anstrengenden Zeiten: Die Autoindustrie steckt in einem tiefgreifenden Umbruch wegen Dieselskandal, Digitalisierung und dem weltweit strengeren Klimaschutz. Daimler muss wie die anderen Konzerne jedes Jahr Milliardensummen in Elektroautos, die Vernetzung von Fahrzeugen und Mobilitätsdienste stecken. Zugleich prasselt der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelsstreit mit höheren Zöllen und der Abschied Großbritanniens aus der Europäischen Union auf die wichtigste deutsche Exportbranche nieder.

Dass der bisherige Vorstandschef künftig seinem Nachfolger von der Rückbank aus über die Schulter schaut, könnte problematisch sein. Deshalb sei die Abkühlphase zwischen den Ämtern so wichtig, erklärt Fondsmanager Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment. Es sei aber gut, dass Daimler in Krisenzeiten frühzeitig handele. Theodor Baums, Juraprofessor und Experte für Unternehmensführung, erklärte, es sei zum einen ein Vorteil, weil der Ex-Vorstandschef das Unternehmen gut kenne. Andererseits könnte es hinderlich sein, wenn ein Konzern einen Strategiewechsel brauche.

HOCH UND TIEF IN ZETSCHES AMTSZEIT

Daimler hat die Neuaufstellung des Konzerns mit einer Muttergesellschaft und den selbstständigen Pkw-, Lkw- und Dienstleistungstöchtern schon beschlossen. Doch im laufenden Geschäft neigt sich gerade eine gut fünf Jahre lange Boomphase dem Ende zu - in diesem Jahr wird der Dax-Konzern erstmals seit 2012 den Pkw-Absatz nicht mehr steigern und weniger Betriebsgewinn einfahren als im Vorjahr. Auf und Ab ging es auch während Zetsches Karriere, die der in Istanbul geborene Hesse als Elektroingenieur 1976 begann. International bekannt wurde der Manager mit dem Schnauzbart Anfang des Jahrtausends als Chef und Sanierer der US-Tochter Chrysler, die später an Fiat ging. Ende 1998 zog Zetsche in den Konzernvorstand ein, 2006 wurde er Vorstandschef. Während einer Schwächephase des Konzerns 2012 kam es zum Machtkampf mit dem Betriebsrat, der Zetsche fast das Amt kostete. Seither setzte der Manager auf eine bessere Kooperation mit den Arbeitnehmern. Betriebsratschef Michael Brecht würdigte die Beschlüsse und Empfehlungen des Aufsichtsrats als "kraftvolle und gute Entscheidungen". Daimler stelle den Vorstand jünger auf und gebe damit neue Impulse. Mit Zetsche werde die vertrauensvolle Zusammenarbeit fortgesetzt.

"Er hat als Vorstandsvorsitzender bewiesen, dass er die Daimler AG auch in schwierigem Terrain führen und die Mitarbeiter für anspruchsvolle Ziele begeistern kann", sagte AR-Chef Bischoff über Zetsche. In der Öffentlichkeit tritt der Autoboss betont lässig auf in Jeans, Sneakern und offenem Hemd ohne Krawatte. Sein Image als Erfolgsmanager des derzeit weltweit führenden Premiumautobauers litt zuletzt aber unter dem Vorwurf von Kartellverstößen und Dieselabgas-Ticksereien. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bestellte Zetsche deswegen im Frühjahr zum Rapport nach Berlin. Mercedes muss Millionen Diesel-Pkw in Ordnung bringen, wehrt sich aber gerichtlich gegen die Anschuldigung der Behörden, gegen Gesetze verstoßen zu haben.

EIGENGEWÄCHS AN DER SPITZE

Källenius ist wie Zetsche ein Daimler-Eigengewächs: Der gelernte Ökonom arbeitet bei dem Dax-Konzern seit 1993, zog 2015 erstmals als Pkw-Vertriebschef in den Vorstand ein und wechselte Anfang 2017 auf den Posten des Forschungschefs, was in der Branche als Warmlaufen für den Chefposten betrachtet wurde. Källenius sei nicht nur sehr anerkannt im Unternehmen, erklärte Zetsche. "Gleichzeitig bringt er eine wertvolle internationale Perspektive mit."

Nachfolger von Källenius wird im Konzernvorstand der bisherige Pkw-Produktionschef Markus Schäfer. Auch die Führung der in Zukunft eigenständigen Tochter Mercedes-Benz Cars wird neu besetzt. Der bisherige Qualitätsmanager Jörg Burzer wird neuer Produktionschef, Wilko Stark wechselt vom Posten des Konzernstrategiechefs auf das Ressort Einkauf. Digitalchef Sajjad Khan treibt als Vorstandsmitglied die Trendthemen Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung voran.