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BERLIN (dpa-AFX) - Es ist ein ganzes Paket von neuen Regeln, das das Insektensterben in Deutschland stoppen soll: draußen keine Lichtfallen mehr, ein Verbot von Himmelsscheinwerfern im Frühjahr und im Herbst, mehr Schutzzonen und ausreichend Abstand zwischen Gewässern und Pestiziden. Doch was Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im Insektenschutzgesetz vorschlägt, reicht Naturschützern nicht. Sie wollen Einschränkungen beim Einsatz von Glyphosat und anderen Pestiziden sehen - und machen Druck auf Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Vom Bauernverband kam dagegen Kritik an Schulzes Plänen.

Den Schutz der Bienen hatte sich Schwarz-Rot in den Koalitionsvertrag geschrieben, nachdem Studien zum Insektensterben die Deutschen alarmiert hatten. Als Bestäuber von Pflanzen und Beute für Vögel und andere Tiere haben Insekten extrem wichtige Funktionen im Ökosystem - sterben sie, gerät das gesamte Gleichgewicht der Natur aus den Fugen. Vergangenen Herbst einigte sich die Regierung auf ein "Aktionsprogramm" - nun hat Schulze die Gesetze, für die ihr Ministerium zuständig ist, zur Abstimmung im Kabinett vorgelegt.

Geplant ist unter anderem ein Pflicht-Abstand von zehn Metern zwischen größeren Gewässern und Flächen, auf denen Unkrautgift eingesetzt wird. Wenn der Gewässerrand dauerhaft begrünt ist, reichen fünf Meter. Bestimmte Wiesen, Streuobstbestände, Steinwälle und unverputzte Mauern sollen künftig als Biotope besonders geschützt sein. In Naturschutzgebieten und Nationalparks sollen bestimmte Insektengifte und Holzschutzmittel tabu sein.

Himmelsscheinwerfer oder auch Skybeamer, wie sie etwa von Discos genutzt werden, sind demnach vom 1. Februar bis 30. Mai und vom 15. Juli bis 15. Dezember von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang verboten. Das sind die Hauptzeiten für den Vogelzug. Die sehr hellen Scheinwerfer, die kilometerweit leuchten können, schadeten vor allem Vögeln, aber auch Insekten, heißt es im Gesetzentwurf, der unter anderem der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

In Naturschutzgebieten sollen in unbebauten Bereichen nur noch ausnahmsweise neue Straßenlaternen, Wegbeleuchtungen und leuchtende Werbetafeln aufgestellt werden dürfen. In ganz Deutschland sollen solche neuen Lichtquellen sowie die Außenbeleuchtung von Gebäuden künftig Tiere und Pflanzen möglichst wenig beeinträchtigen - Details dazu sollen über eine Verordnung geregelt werden. Diese werde das Umweltministerium spätestens Ende 2022 vorlegen.

Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter sagte, damit habe Schulze "ihre Hausaufgaben gemacht" - und nahm Agrarministerin Klöckner ins Visier: Sie müsse die im Aktionsprogramm beschlossenen Vorgaben umsetzen, die den Einsatz von Pestiziden, darunter auch Glyphosat, reduzieren sollten.

Andere Umweltverbände sehen das auch so. Entscheidend für eine Trendwende sei, dass auch Klöckner ihre Hausaufgaben mache, teilte der Deutsche Naturschutzring mit. "Aber Insektenschutz ohne Minderung beim Pestizideinsatz in der Agrarlandschaft bleibt Stückwerk", kritisierte der Nabu, der WWF warnte vor "Flickenschusterei". "Wieder einmal verpasst der Agrarbereich den Zeitpunkt, gemeinsam mit der Umweltseite eine vorsorgende Politik zu betreiben", klagte der BUND.

Klöckners Ministerium ließ am Mittwoch allerdings offen, ob zeitgleich mit Schulzes Entwurf auch Gesetze aus dem Agrarressort kommen sollen. Eine Sprecherin sagte, man sei dazu in der Abstimmung, man wolle "das zu einem guten Schluss bringen". Sie verwies auf die von Klöckner vorgelegten Vorschläge für eine "Minderungsstrategie" für Glyphosat. Aus dem Ministerium hieß es, für die gesetzliche Umsetzung brauche es klare Definitionen und Folgeabschätzungen aus dem Umweltministerium - diese seien jetzt da, der Entwurf liege aber erst seit dem späten Freitagnachmittag vor.

Verärgert zeigte sich die umweltpolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Judith Skudelny: Das Thema werde seit Jahren besprochen, es gebe Runde Tische mit den Beteiligten, und trotzdem fehle ein tragfähiges Gesamtpaket, sagte sie der dpa.

Dem Bauernverband gehen die Pläne Schulzes an mehreren Stellen zu weit. "Artenreiches Grünland pauschal unter Schutz zu stellen, ist nur ein Anreiz, solche Biotope gar nicht erst entstehen zu lassen", sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken der dpa. "Sinnvoller wäre es, hier mit Agrarumweltmaßnahmen und positiven Anreizen zu arbeiten." Zudem sei kein ernsthafter Wille erkennbar, "auch etwas gegen die nicht-landwirtschaftlichen Ursachen des Insektenrückgangs zu tun, etwa Lichtverschmutzung oder das Zubetonieren von Flächen." Der Entwurf gehe in einigen Punkten über das Aktionsprogramm Insektenschutz hinaus, kritisierte er./ted/DP/fba