- von Tom Käckenhoff

Rund zwei Monate nach dem Jubel über den milliardenschweren Verkauf der Aufzugssparte kehrt beim Industriekonzern Thyssenkrupp die Krisenstimmung zurück.

Die Aktie verlor am Montag zeitweise 14 Prozent an Wert, nachdem der Vorstand gegenüber den Mitarbeitern auf die schwierige Kassenlage in der Coronakrise verwiesen hatte. "Mittelfristig werden die Corona-bedingten Liquiditätsabflüsse aller Voraussicht nach dazu führen, dass der finanzielle Spielraum aus dem Verkauf des Aufzuggeschäfts weitaus geringer als ursprünglich angenommen sein wird", hieß es darin. Sollte sich der Eingang der Elevator-Verkaufssumme verzögern, sei Thyssenkrupp möglicherweise auf zusätzliches Geld zur Überbrückung einer etwaigen Liquiditätslücke angewiesen.

"Die Coronakrise kommt für Thyssenkrupp zum schlechtesten Zeitpunkt. Man hat jetzt nur noch einen Schuss", sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), der Nachrichtenagentur Reuters. "Jeder Euro, der für die Bewältigung der Corona-Krise gebraucht wird, fehlt Thyssenkrupp, um den Konzern wieder auf die Beine zu stellen." Vorstandschefin Martina Merz sollte ungeachtet der Ungewissheiten im Zuge der Coronakrise wie geplant diesen Monat Grundzüge der neuen Strategie vorstellen.

UNION INVESTMENT: KOSTEN SENKEN UND RESTRUKTURIEREN

"Die Lage ist für Thyssenkrupp wegen des Konjunktureinbruchs noch deutlich schwieriger als vor Corona geworden", sagte Michael Muders, Portfoliomanager der Fondsgesellschaft Union Investment, zu Reuters. Der Konzern sei stark auf die Automobilindustrie fokussiert, die durch die Coronakrise noch mehr ins Schlingern geraten sei. Thyssenkrupp hat seine Jahresprognose bereits kassiert und in dem Mitarbeiter-Brief auf das schwierig verlaufene vergangene Quartal verwiesen, für das der Konzern am 12. Mai die Zahlen veröffentlicht. Die geplante Bereinigung des Portfolios in der Autozulieferung oder dem Maschinenbau werde nun auch schwieriger, erklärt Muders. "Potenzielle Käufer sind weniger bereit, gute Preise zu zahlen. Potenzielle Partner sind vermutlich zurückhaltender, was Joint Ventures betrifft. Die Autozulieferer fahren alle nur auf Sicht", erläuterte Muders. Einen größeren Verkauf sehe er im Moment nicht." Jeder sichere im Moment seine Liquidität. Union hält etwa 0,1 Prozent der Thyssenkrupp-Aktien.

Thyssenkrupp hat sich Insidern zufolge bereits Staatshilfe durch einen KfW-Kredit in Höhe von rund einer Milliarde Euro gesichert. Der Hinweis in dem Mitarbeiter-Brief, dass dies womöglich nicht reicht, wird von machen Beobachtern als Signal an die Beschäftigten gedeutet, dass weitere Einschnitte nötig sein werden. Bislang plant der Konzern, der inklusive der Aufzugsparte rund 160.000 Mitarbeiter beschäftigt, den Abbau von rund 3000 Jobs.

Der Handlungsspielraum für das Management ist nach den Worten von Union-Portfoliomanager Muders derzeit begrenzt. "Man muss sich vorbereiten für die Zeit nach der Corona-Krise - Kosten senken und restrukturieren." Gut sei, dass die Aufzüge rechtzeitig zu einem Top-Preis verkauft wurden, wie er jetzt wahrscheinlich nicht mehr zu erzielen wäre. Für 17,2 Milliarden Euro hatten im Februar die Finanzinvestoren Advent und Cinven im Bunde mit der RAG-Stiftung den Zuschlag bekommen und damit unter anderem den finnischen Aufzugsriesen Kone ausgestochen. Thyssenkrupp erwartet den Eingang der Summe noch im laufenden Geschäftsjahr 2019/20 (per Ende September), muss aber zuvor die Freigabe der Kartellbehörden vorliegen haben.