BERLIN (dpa-AFX) - Die Europäische Union muss aus Sicht von Bundesfinanzminister Olaf Scholz politischer werden - auch als Reaktion auf den Ausstieg Großbritanniens. Der SPD-Politiker sagte bei einer europapolitischen Konferenz am Dienstag im Auswärtigen Amt, dass das Brexit-Votum kein "Unfall", sondern ein "Warnsignal" sei.

In vielen EU-Staaten hätten anti-europäische und populistische Strömungen an Zulauf gewonnen. Viele Bürger zweifelten daran, ob Europa Antworten auf zentrale Herausforderungen der Zukunft habe. Deswegen müsse die EU politischer werden. Die EU habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zu stark auf den Charakter als gemeinsamer Binnenmarkt konzentriert. Dies habe dazu beigetragen, dass Brüssel als "kleinteilige, bürokratische Verwaltungseinheit" wahrgenommen werde. Scholz warb für eine bessere Streitkultur in der EU und mehr Kompromissfähigkeit. Er nannte als Beispiel die aus seiner Sicht gelungenen Reformen der Wirtschafts- und Währungsunion.

Den Brexit nannte Scholz eine "traurige Entwicklung". Er würde sich freuen, wenn es anders käme. Die EU müsse sich aber darauf einstellen. Scholz warnte vor massiven Folgen bei einem ungeordneten Brexit, etwa wenn zusätzliche Zoll- und Grenzkontrollen nötig wären. Er ging aber nicht direkt ein auf die am Dienstagabend erwartete Abstimmung im britischen Unterhaus über das von Premierministerin Theresa May ausgehandelte Austrittsabkommen mit der EU. May muss sich auf eine Niederlage gefasst machen.

Scholz forderte außerdem, Europa müsse bei Zukunftstechnologien wie der Künstlichen Intelligenz Unternehmen die Möglichkeit geben, eine führende Rolle zu spielen. Europa müsse mehr eigene "digitale Champions" hervorbringen. Scholz verwies auf das Beispiel des europäischen Flugzeugbauers Airbus.

Der Minister hatte bereits Ende November in einer Grundsatzrede an der Berliner Humboldt-Universität gesagt, Europa müsse politischer und stärker werden. Er hatte sich etwa für eine stärkere EU-Außen- und Sicherheitspolitik ausgesprochen./hoe/DP/he