Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Russisches Erdöl lässt sich nach Einschätzung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) nur schwer auf den Weltmärkten ersetzen. In einem Aufsatz ihres aktuellen Quartalsberichts warnt die BIZ, dass dauerhaft höhere Ölpreise auch die Preise von Agrarprodukten treiben könnten, die für die Herstellung von Biokraftstoffen eingesetzt werden. Das wiederum könnte zu einer weltweit höheren Inflation führen. Die BIZ sieht zudem die Gefahr, dass auch der Gaspreis dauerhaft erhöht bleibt und damit die Stromerzeugung verteuert, was die Industrie belasten würde.

Laut BIZ produziert Russland täglich über 10 Millionen Barrel Öl, was 14 Prozent der weltweiten Förderung entspricht. Die Hälfte hiervon geht direkt in den Export (10 Prozent der weltweiten Exporte), der Rest wird zu Diesel und Heizöl raffiniert (15 Prozent der globalen Exporte). Die US-Importe russischen Öls sind bis zum zweiten Quartal auf null gesunken und die in die EU um 29 Prozent, während die Ausfuhr in einige Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas deutlich zunahm.


   Russlands Ölproduktion könnte Niveau von 2021 übersteigen 

Russlands Erdölproduktion war im April stark gesunken, hatte sich aber bis Juni wieder auf das Niveau von 2021 erholt und könnte es im weiteren Jahresverlauf überschreiten. Laut BIZ schwankte die tägliche Produktion der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) in den Jahren vor 2019 um maximal 1,5 Millionen Barrel, was in etwa der für dieses Jahr angekündigten Produktionssteigerung entspricht. "Nötig wäre also eine mehr als dreimal so starke Steigerung als die aktuelle, und bei Diesel und Heizöl wären die notwendigen Anstrengungen mindestens so hoch", gibt die BIZ zu bedenken.

Auch ein Blick auf die Investitionstätigkeit stimmt nicht hoffnungsvoll. Unternehmen werden ihre Investitionen nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) zwar gegenüber 2021 um rund 10 Prozent steigern, sie blieben damit aber unter den vor 2019 verzeichneten Niveaus. Getragen werden diese Investitionen demnach vor allem von den staatlichen Ölgesellschaften des Nahen Ostens, während die Unternehmen der Industrieländer ihre Investitionen gegenüber 2019 um rund 30 Prozent zurückfahren wollen. Das liegt laut BIZ teilweise daran, dass ihr Marktwert gesunken ist, weshalb sie mehr Geld für Aktienrückkäufe und weniger für Investitionen ausgeben.

Laut BIZ kann ein Anstieg des Ölpreises nicht nur kurz- sondern auch langfristig den Preis von Mais steigen lassen, weil dieser für die Herstellung von Ethanol eingesetzt wird. "Im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre sind 40 Prozent der US-Maisproduktion in diese Verwendung geflossen", erläutert die BIZ. Stiegen die Ölpreise, böte das den Kraftstoffherstellern einen Anreiz die Ethanol-Beimengung zu erhöhen.


   Ölpreis zieht Mais- und Sojapreis mit sich 

"Das könnte einerseits des Ölpreisanstieg bremsen, aber andererseits des Anstieg des Preises vom Mais und anderer Ethanolrohstoffe befeuern", gibt die BIZ zu bedenken. Dies wiederum könnte den Sojapreis steigen lassen, weil die beiden Feldfrüchte um Anbauflächen konkurrieren und beide auch als Futtermittel verwendet werden.

Als weiteren kritischen Faktor hat die BIZ den Erdgaspreis ausgemacht. Die EU deckte 2020 rund 35 Prozent ihres Bedarfs aus Russland, aber seither haben die Lieferungen von dort stark nachgelassen. Zudem hat Gas sich stark verteuert, was auch an Sonderfaktoren lag, die nichts mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine zu tun hatten. Rund 20 Prozent des Stroms wird in der EU aus Gas hergestellt. Allerdings nimmt dessen Bedeutung zu, weil Frankreichs Kernkraftwerke unter technischen Problemen leiden.

Weil weltweit rund 40 Prozent des Stroms in der Industrie verbraucht werden, dürfte sie besonders stark unter dem hohen Gaspreis leiden. In der EU sind es ebenfalls 40 Prozent, in den USA nur 20 Prozent, aber in China 60 Prozent. Die preistreibenden Effekte dieser Entwicklung zeigen sich laut BIZ aber nur langsam. In den USA beeinflusst ein Anstieg des Gaspreises um eine Standardabweichung die Produktion nach einem Jahr und erreicht erst nach mehr als vier Jahren ihr Maximum.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/apo

(END) Dow Jones Newswires

September 19, 2022 09:05 ET (13:05 GMT)