Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell nach der Sitzung der US-Notenbank haben zunächst einmal zu einem Befreiungsschlag an den internationalen Aktienmärkten geführt. Im Fahrwasser der Wall Street legte auch der DAX deutlich zu und löste sich um gut 4 Prozent von den jüngsten Tiefs.

Die Aussagen wurden vom Markt so verstanden, dass weitere geldpolitische Straffungen und damit neue Tiefs der Aktienindizes nicht zu erwarten sind. Diese Interpretation führte laut Marktteilnehmern zu umfangreichen Käufen derjenigen, die bisher auf fallende Kurse gesetzt hatten und mit diesen Shortpositionen auf Gewinnen sitzen. Zudem wurden Hedging-Positionen zum Absichern strategischer Long-Bestände aufgelöst.

Ob in der kommenden Woche nun strategische Anschlusskäufe in größerem Ausmaß die Shortdeckungen ergänzen oder ablösen, gilt am Markt allerdings nicht als besonders wahrscheinlich. Mehr als eine volatile, also schwankungsreiche Seitwärtstendenz sollten Marktteilnehmer nicht erwarten. Dabei gilt der DAX nun bei den jüngsten Tiefs um 14.600 Punkte als kräftig unterstützt, auf Widerstände stößt er am mittelfristigen Abwärtstrend bei aktuell 15.250 Punkten sowie im Bereich um 15.600 Punkte mit der 200-Tagelinie bei 15.641 Punkten.


   Powell-Aussagen: Fluch und Segen zugleich für die Aktien 

US-Notenbankchef Jerome Powell hat darauf verwiesen, dass die Geldpolitik erst mit Verzögerung auf Konjunktur und Inflation wirke. Damit dürfte die Zeit der Zinserhöhungen vorbei sein. Die Aussage bedeutet aber im Umkehrschluss auch, dass die wirtschaftlich schwierigsten Zeiten noch vor dem Markt liegen - mit möglichen Insolvenzen, die die Banken belasten würden. Für die Unternehmen dürfte es zudem zunehmend schwieriger werden, höhere Einstandskosten weiterzugeben, wie sich das bereits durch den Verfall der Erzeugerpreise andeutet. Als Folge dürften die Margen unter Druck geraten.

Immerhin dürfte die Inflation so vergleichsweise schnell zurückkommen. Das wiederum könnte dafür sorgen, dass die Leitzinsen deutlich schneller gesenkt werden als erst im Juni oder Juli des kommenden Jahres, wie das derzeit an den Märkten eingepreist wird.

Da der DAX mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von lediglich 10 auf Basis der 2024er-Gewinnschätzungen sehr günstig bewertet ist, dürfte er zumindest den größten Teil der Korrektur bereits hinter sich haben. Zwar sind die Gewinnschätzungen in dem beschriebenen Szenario vermutlich zu hoch, erwartet wird aktuell ein Gewinnanstieg der DAX-Unternehmen um 7 Prozent im kommenden Jahr auf einen akkumulierten und in Punkte umgerechneten Gewinn von etwa 1.500. Da das durchschnittliche 10-Jahres-KGV aber bei deutlich höheren 13 liegt, ist der Puffer für den DAX ebenfalls groß.


   Deutsche Industrie weiter auf Talfahrt 

Die Woche nach einer Sitzung der US-Notenbank ist von der Makroseite immer relativ leer. Kommende Woche steht zunächst der deutsche Auftragseingang im Blick, am Dienstag die Industrieproduktion. Die Daten werden vermutlich zeigen, dass die deutsche Industrie ihre Talfahrt noch nicht beendet hat. Am Montag wird auch der neue Sentix-Konjunkturindex veröffentlicht. In China stehen neue Außenhandelsdaten und die Verbraucherpreisentwicklung auf der Agenda. Am Freitag steht der Michigan-Index für das Verbrauchervertrauen im Blick.

Auf der Unternehmensseite geht die Berichtssaison weiter. Noch sind die Geschäftszahlen vergleichsweise gut, die Ausblicke bieten bereits ein differenzierteres Bild. Aus dem DAX werden Daimler Truck, Eon, Airbus, Commerzbank, Adidas, Bayer, Munich Re, Conti, Deutsche Telekom, Merck, Hannover Rück, Rheinmetall, Allianz und Henkel ihre Zahlen vorlegen.

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November 03, 2023 07:11 ET (11:11 GMT)