FRANKFURT (Dow Jones)--Vor einer spannenden Handelswoche stehen DAX & Co. Anleger wollen wissen, ob die Rahmenbedingungen eine Fortsetzung der Rally zulassen. Im Mittelpunkt des Interesses steht der Zinsausblick der US-Notenbank, aber dazu läuft die Berichtssaison immer stärker und sorgt täglich für neue Überraschungen.

Die Chance auf neue Allzeithochs und einen DAX dauerhaft über 17.000 Punkten sind jedenfalls vorhanden. Denn Marktteilnehmer stellen immer wieder fest, dass Anleger viel zu skeptisch und gleichzeitig untergewichtet in Quartalszahlen gehen. Als Folge werden sie nach guten Daten regelrecht in die Aktien gezwungen, was oft zweistellige Prozentgewinne produziert. Wie in der abgelaufenen Woche beispielsweise im Luxus- und Konsumbereich bei LVMH und Remy Cointreau, oder im pharmanahen Bereich bei Sartorius und Lonza zu sehen.

In den USA gibt es derweil keine Zeichen, dass der Boom der Technologiewerte zuende geht. Immer wieder überraschen ihre Branchenwerte mit besseren Gewinnen. Denn anders als inhaltsleere Hypes wie das Thema Blockchain hinterlässt die "Künstliche Intelligenz" (KI) ihren Fußabdruck in allen Bilanzen. Hier wird tatsächlich und real investiert und auch Gewinne eingefahren. Die US-Vorgaben dürften damit weiter gut bleiben.


   Deutsche Wirtschaft desaströs - Keine Besserung in Sicht 

Ganz anders ist dagegen die Lage in Europa: Technologiewerte gibt es nur wenige, die klassischen Industrien stecken in Schwierigkeiten. Das Zinsthema ist damit noch wichtiger als in den USA. Und hier stehen die Zeichen klar auf Entspannung. EZB-Präsidentin Christine Lagarde versuchte zwar, überbordende Zinssenkungsfantasien einzufangen, weckte aber keine Zweifel, dass Zinserleichterungen kommen werden.

Vor allem der Blick auf den Absturz Deutschlands lässt Marktteilnehmer hoffen: Nirgendwo sonst auf der Welt ist ein Land derart ungebremst auf den absteigenden Ast geraten. Unter 20 Industrieländern den letzten Platz beim Wirtschaftswachstum zu belegen und dabei als einziges Land zu schrumpfen, sei schon eine "Leistung" für sich. Gleichzeitig bricht das Fundament für die Zukunft weg wie der Pisa-Test an den Schulen und der Fachkräftemangel zeigen. Hingenommen wird dies alles ohne Gegenmaßnahmen, ohne Krisengipfel und mit einem Schulterzucken - Besserung ist daher nicht zu erwarten.

Keine einzige Zahl aus der deutschen Wirtschaft war gut in der abgelaufenen Woche: Die Einkaufsmanager-Indizes (PMI) zementieren sie tief im Schrumpfungsbereich bei knapp über 45 Punkten (erst über 50 würde sie wieder auf Expansionskurs gehen). Der Ifo-Geschäftsklima-Index unterstrich dieses Bild, die Ifo-Export-Umfrage zeigte eine düstere Zukunft: Die Mehrheit der Branchen erwartet sinkende Exporte, vor allem die wichtigen Automobil- und Maschinenbau und die Elektrotechnik.


   Konsum fällt auch aus - Nur EZB als Stütze für Europa 

Entsprechend steigt die Angst vor Arbeitslosigkeit und sorgt für einen Konsumeinbruch. Das aktuelle GfK-Konsumklima stürzte selbst auf seinen Rekordtiefs noch weiter ab auf minus 29,7 nach minus 25,4 Zählern. Die Marktforscher stellen ein Angstsparen in der Bevölkerung fest, da fallende Einkommenserwartungen auch die Neigung zu Anschaffungen einbrechen lassen. Eine Belebung der deutschen Wirtschaft durch den Konsum wäre daher illusorisch.

Für die Zinserwartungen sind das natürlich gute Nachrichten: Wenn mit Deutschland die ehemalige "Konjunkturlokomotive" Europas wegbricht, müssen die Anreize von aussen kommen. Besonders in Frankreich steigt die Sorge, dass die deutsche Schwäche ganz Europa infiziert. Zinssenkungen der EZB sind damit eine klare Sache.

Renten-Experte Elmar Völker von der LBBW spricht denn auch von "rentenfreundlichen Makrodaten", die die Anleihemärkte wieder zurück in den Aufwärtstrend bringen könnten. Der Blick auf die Europa-PMIs lasse keine Aussichten, dem trüben Umfeld zu entkommen.

Die Strategen der Deutschen Bank sehen nach der EZB-Sitzung, dass der Markt eine Zinssenkung im April mit einer Wahrscheinlichkeit von 93 Prozent einpreist, nach 63 Prozent vor der Sitzung. Bis Juni gehe der Markt von Zinssenkungen von insgesamt 50 Basispunkten aus.

In den USA ist die Lage für die US-Notenbank angesichts einer brummenden Wirtschaft etwas komplizierter. Wie Christian Scherrmann, US-Volkswirt vom Vermögensverwalter DWS unterstreicht, müsse sie sich vorsichtig äussern, da die Märkte zu Übertreibungen bei zu taubenhaften Kommentaren neigen. Die Fed dürfte daher ihre datenabhängige Haltung betonen. Und davon gibt es kommende Woche genug.


   Sehr gut gefüllter Terminkalender 

Der Terminkalender ist gespickt mit wichtigen Events für alle Märkte und Branchen. Neben der Zinsentscheidung der US-Notenbank am Mittwoch stehen noch die wichtigsten Konjunkturdaten an, garniert von einer auf Hochtouren laufenden Berichtssaison.

Bei den Konjunkturdaten steht am Freitag der monatliche US-Arbeitsmarktbericht im Fokus. Je stärker die US-Notenbank auf ihrer Sitzung die Bedeutung von Daten als Entscheidungsgrundlage betont, desto wichtiger wird der Job Report als Trendsetter. Dazu kommen andere Schwergewichte zur Lage der US-Wirtschaft wie der Chicago- und der ISM-Index. Global stehen die Revisionen der Einkaufsmanager-Indizes (PMI) an, die immer wieder für Überraschungen gut sind.

In Europa dominieren die Inflationsdaten aus Deutschland und der EU. Angesichts des schwachen Wirtschaftswachstums wären negative Überraschungen verheerend. Da im Wochenverlauf auch das BIP für beide Regionen veröffentlicht wird, könnten schnell Stagflationsängste aufkommen.

Für die Berichtssaison melden Unternehmen aus sämtlichen Branchen, von Philips, über Shell und US-Ölwerte, bis ABB, Philips, Diageo, Siemens Healthineers. Besonders stark besetzt sind Banken und Pharmawerte. Unter anderem berichten BBVA, Santander, Deutsche Bank, BNP und ING. Aus dem Pharmasektor vermelden Novartis, GSK, Roche, Sanofi und Novo Nordisk ihre Ergebnisse.

Besonders genau dürften die Märkte aber den Kurstreibern der jüngsten Technologie-Hausse zuhören: Bei Google-Mutter Alphabet am Dienstag und Apple am Donnerstag. Wenn die Aktienrally weitergehen soll, darf es Enttäuschungen hier nicht geben.

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January 26, 2024 07:57 ET (12:57 GMT)