Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Das Börsengeschehen ist weiter von hohen Unsicherheiten geprägt. Auf ihrer jüngsten Sitzung hat die US-Notenbank erneut klar gemacht, dass sie den Kampf gegen die Inflation ernst nimmt. Zwar wird sie voraussichtlich das Zinserhöhungstempo ab Dienstag verlangsamen, dafür dürfte der Zinsgipfel höher liegen als bislang erwartet. Einen Risikofaktor für die Märkte stellen die in der kommenden Woche stattfindenden Zwischenwahlen dar - wenn wohl auch nicht unmittelbar.

Die US-Notenbank hat geliefert. Wie erwartet hat die US-Notenbank die Leitzinsen um 75 Basispunkte erhöht. Zwar räumte Fed-Präsident Jerome Powell ein, dass eine zukünftige Verlangsamung der Zinserhöhungen wahrscheinlich sei, doch ändere dies nichts an der Tatsache, dass die Zinssätze wahrscheinlich am Ende des Zinserhöhungspfades noch höher ausfallen müssten, um die Inflation im Laufe der Zeit wieder auf das Ziel von 2 Prozent zu bringen.

An den Märkten stieg die Erwartung an den Zinsgipfel auf etwa 5,15 Prozent nach zuvor rund 5,00 Prozent. Das belastete die Börsen, letztlich werden die Anleger mit einem solchen Gipfelstand aber leben könnte, sollte es denn dabei bleiben. Denn das weitere Vorgehen der Fed hängt vor allem von der weiteren Entwicklung der Inflation ab. Am Donnerstag werden in den USA die Verbraucherpreise für Oktober veröffentlicht. Diese sind laut der Commerzbank voraussichtlich etwas gesunken.


   Doppelsieg der Demokraten wäre schlechtestes Szenario für Börsen 

Aber Zinsen und Inflation sind beileibe nicht die einzigen Risikofaktoren für die Märkte. Am Dienstag finden die US-Zwischenwahlen statt. Die US-Bürger wählen das gesamte Repräsentantenhaus, rund ein Drittel der Senatoren und in etlichen Bundesstaaten auch die Gouverneure neu. "Sie entscheiden darüber, ob die Demokraten die Kontrolle über beide Kammern des Kongresses behalten oder die Republikaner die Macht in einer der beiden Kammern übernehmen, oder in beiden", so CMC.

Nach den jüngsten Umfragen sieht laut CMC alles danach aus, als könnten die Republikaner zwar im Repräsentantenhaus die Mehrheit gewinnen, nicht aber im Senat. Diese Konstellation wäre für die Finanzmärkte sicherlich die willkommenste Variante, da alle entscheidenden Gesetzesänderungen und Steuerausgaben dann vom Tisch wären. Investoren mögen keine Überraschungen und in einer geteilten Regierung gäbe es nur wenige davon.

Auf der anderen Seite stehe das Risiko eines Regierungsstillstands, da sich beide Parteien wahrscheinlich nicht auf einen neuen Haushalt im Jahr 2023 einigen könnten, heißt es weiter bei CMC. Sollte in diesem Fall der Streit über eine Anhebung der Schuldenobergrenze im nächsten Sommer eskalieren, könnte dies auch zu Turbulenzen an der Börse führen. Das schlechteste Szenario für die Börsen wäre ein Doppelsieg der Demokraten - dann wären höhere Steuerausgaben wahrscheinlich, die allerdings bezahlt werden müssen.


   Berichtssaison läuft bislang besser als befürchtet 

Unklar ist, ob Machtveränderungen im US-Kongress zu Anpassungen in der Ukraine-Politik der USA führten. Sollten etwa die USA ihre finanzielle und militärische Hilfen für das Land verringern, würde dies möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf den Kriegsverlauf und damit auf die Finanzmärkte haben. Dies ist allerdings kein Thema, das die Märkte bereits in der kommenden Woche beschäftigen wird.

Beschäftigen wird die Märkte in der kommenden Woche weiter die Berichtssaison für das dritte Quartal. Der bisherige Verlauf zeigt laut der Commerzbank, dass die hohen Produktionskosten immer mehr Wirkung zeigen. Allerdings gebe es große Unterschiede zwischen den Unternehmen. Insbesondere viele kleinere und weniger auf dem Weltmarkt aktive Unternehmen, die eine begrenzte Preismacht besitzen, verfehlten die Erwartungen. Zudem müssten immer mehr Unternehmen ihre Geschäftsziele für das laufende Geschäftsjahr senken.

Von den DAX-Unternehmen, die bislang berichtet haben, haben laut der Commerzbank 38 Prozent die Markterwartungen übertroffen, während 17 Prozent diese klar verfehlt haben. Damit gebe es bislang mehr positive Überraschungen als im langfristigen Durchschnitt und im Durchschnitt der dritten Quartale eines Jahres. Im MDAX sieht die Bilanz weniger günstig aus, aber nicht verheerend. Damit erscheinen stärkere Kursrutsche an den Börsen derzeit eher unwahrscheinlich.

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com

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November 04, 2022 08:24 ET (12:24 GMT)