Zürich (awp) - Am Schweizer Aktienmarkt treten die Anlegerinnen und Anleger am Donnerstag erschreckt von US-Notenbankchef Jerome Powell den Rückzug an. Die Kurse geben auf breiter Front nach. Dabei ist es nicht die Zinserhöhung um weitere 75 Basispunkte, die den Anlegern in die Knochen gefahren ist. Es ist viel mehr die Aussicht darauf, dass die Zinsen länger auf einem hohen Niveau bleiben könnte, wie ein Händler sagt. Die Aktivitäten halten sich laut Händlern bis auf wenige Ausnahmen trotz der trüben Stimmung in Grenzen. "Es läuft vergleichsweise wenig. Es sieht so aus, als ob viele Anleger ihre Verluste aussitzen wollen und daher nicht mehr verkaufen", sagt ein Börsianer.

Dabei hatte Powell zunächst noch signalisiert, dass das Fed die Leitzinsen im Dezember weniger deutlich als zuletzt anheben könnte. Der Fed-Chef gab dann aber den Hinweis, es sei "sehr verfrüht", um über eine perspektivisch von Anlegern erhoffte Pause bei den Zinserhöhungen nachzudenken. Man habe noch "einigen Weg" bei den Zinsen zu gehen. Es brauche Zeit und Geduld, um die Inflation zu drücken. Damit dürften die Marktteilnehmer nun die kommenden Wirtschaftsdaten noch stärker auf Schwächezeichen abklopfen, heisst es weiter. Die nächsten wichtigen Daten kommen am Freitag mit dem monatlichen US-Arbeitsmarktbericht. Vor diesem Hintergrund habe der erfreuliche Rückgang der Schweizer Jahresteuerung im Oktober auf 3,0 von 3,3 Prozent im September das Geschehen nicht beeinflusst.

Der SMI büsst bis um 11.05 Uhr 0,70 Prozent ein auf 10'730,30 Punkte. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, verliert 0,90 Prozent auf 1610,43 und der breite SPI 0,75 Prozent auf 13'674,39 Punkte. Im SLI geben 24 Titel nach und sechs legen zu.

Massiv unter Druck stehen Geberit (-6,0%). Der Sanitärkonzern hat mit seinen Ergebnissen die Erwartungen der Analysten klar verfehlt. Im dritten Quartal verbuchte Geberit einen Gewinnrückgang und passte zugleich diesjährigen Wachstums- und Margenvorgaben nach unten an. "Vor allem das mit den tieferen Margen kommt nicht gut an", meint ein Händler.

Deutliche Einbussen gibt es auch beim zweiten Blue Chip-Unternehmen, das Zahlen vorgelegt hat: Adecco sacken um 2,6 Prozent ab. Dabei ist der Personalvermittler im dritten Quartal stärker gewachsen als in den Quartalen zuvor und hat die Erwartungen der Analysten erfüllt. Es hätten eben positive Überraschungen gefehlt, die die Erholung der Aktien hätten vorantreiben könne, heisst es am Markt.

Ebenfalls tiefere Kurse gibt es bei den Anteilen der Technologieunternehmen VAT (-3,3%), Logitech (-1,3%) und Temenos (-1,2%), die von den negativen Vorgaben von der US-Technologiebörse belastet werden. Schwächer sind zudem die zyklische Papiere SGS, Sika, Schindler, Kühne+Nagel sowie ABB, die zwischen 1,7 und 1,5 Prozent nachgeben.

Bei Swatch (-2,1%) und Richemont (-1,9%) werden erneut die gedämpften Hoffnungen, wonach China die Null-Covid-Strategie lockern könnte, als Gründe für die tieferen Kurse erwähnt.

Fester sind gegen den Branchentrend die Aktien von AMS Osram (+0,4%), die bereits am Vortag nach dem Quartalsbericht stark angezogen hatten.

Fester notieren ausserdem die Aktien der Grossbank UBS (+0,1%) und der Versicherer Zurich (+0,1%) und Swiss Re (+0,3%). Gut gehalten sind Holcim (+0,1%) und Julius Bär (+0,04%). Die defensiven Schwergewichte Novartis (-0,2%), Nestlé (-0,3%) sowie der Lebensversicherer Swiss Life (-0,2%) schlagen sich vergleichsweise ebenfalls tapfer.

Am breiten Markt stechen Zur Rose (-17%) besonders negativ hervor. In Deutschland verzögert sich die Einführung des E-Rezepts weiter. Denn die bisher einzige Pilot-Region hat das Vorhaben auf Eis gelegt.

Die Aktien von Oerlikon (-4,2%) geben trotz guter Zahlen kräftig nach. Auch Phoenix Mecano (-0,9%) tendieren nach Zahlen schwächer. Im Sog der schwachen US-Börse Nasdaq büssen auch Mitbewerber aus den hinteren Reihen wie Inficon, Comet und Sensirion bis zu zwei Prozent ein.

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