Zürich (awp) - An den Finanzmärkten geht die Angst weiter um. Der Schweizer Leitindex SMI bewegt sich mittlerweile auf einem Niveau, das er zuletzt im Oktober 2022 gesehen hat. Weiterhin ist die sich zuspitzende Lage im Nahen Osten Belastungsfaktor Nummer eins. Deeskalationsversuche waren bislang ohne Erfolg. "Die Angst der Anleger ist weiterhin sehr gross und eine nachhaltige Gegenbewegung ist im Augenblick eher nicht zu erwarten", sagt ein Händler. Vor allem könnte sich die Eskalationsspirale im Nahost-Konflikt weiter und vor allem schneller drehen.

So scheine Israel eine Bodenoffensive im Gaza-Streifen vorzubereiten. "Mit diesem militärischen Schritt könnte das Pulverfass in der Krisenregion hochgehen und einen Flächenbrand zur Folge haben", so der Börsianer weiter. Vor allem könnte der Konflikt dann von Dauer sein. Auch die Zinspolitik dürfte mit dem Entscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) in dieser Woche weiter oben auf der Themenliste der Marktteilnehmer bleiben. Als ein weiterer Belastungsfaktor fungieren steigende Renditen für die zehnjährigen US-Treasuries, die an der Fünf-Prozent-Marke kratzen. In den USA richtet sich nun der Blick auf die Quartalszahlen grosser Techwerte wie Microsoft, Alphabet, Meta, Amazon und Intel.

Der SMI verliert gegen 11.15 Uhr 0,63 Prozent auf 10'283,74 Punkte, was nur 2 Punkte über Tagestief ist. Dies ist der tiefste Stand seit Oktober 2022. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, fällt um 0,59 Prozent auf 1607,22 und der breite SPI um 0,57 Prozent auf 13'491,67 Zähler. Im SLI geben 25 Werte nach und fünf ziehen an.

Der Leitindex SMI ist mittlerweile auch charttechnisch arg angeschlagen. Nachdem der Index am Freitag sein Korrekturtief vom März bei unterschritten hatte, wurde ein weiteres kräftiges Verkaufssignal generiert und zudem weiteres Korrekturpotenzial bis zur 10'000-Punkte-Marke eröffnet, schreiben die Experten von BNP Paribas.

Die Angst der Investoren ist nicht nur spürbar, sondern auch messbar, nämlich am Volatilitäts-Index VSMI. Dieses Angstbarometer bewegt sich seit Ausbruch des Krieges in Nahost aufwärts. Aktuell notiert er so hoch wie zuletzt beim Untergang der Credit Suisse im März dieses Jahres. Und auch am Devisenmarkt sorgt die Flucht in sichere Häfen für eine anhaltend hohe Nachfrage nach dem Schweizer Franken.

Auf Unternehmensseite sorgt der Pharmakonzern Roche mit einem Milliarden-Übernahme für Gesprächsstoff. Nach einem freundlichen Start geben die Inhaber mittlerweile um 0,3 und die Bons um 0,4 Prozent nach. Der Pharmakonzern kauft in den USA ein neuartiges Mittel zur Behandlung von Darmerkrankungen für mehr als 7 Milliarden US-Dollar. Wie es in einem ersten Kommentar von Vontobel heisst, habe das Mittel Blockbusterpotenzial - sollten die Daten in der zulassungsrelevanten Studie die Wirksamkeit bestätigen.

Die anderen beiden Schwergewichte Nestlé und Novartis (beide -0,9%) fallen noch stärker zurück. Novartis werden am morgigen Dienstag mit Quartalszahlen erwartet. Bei Nestlé wirkt ein verhaltener Kommentar von Bernstein tendenziell belastend. Nach Ansicht des Analysten dürften die Kurstreiber der vergangenen Jahre nach und nach wegfallen.

Noch deutlicher geht es allerdings für die bereits arg gebeutelten Lonza (-2,3%) abwärts. Bereits in der Vorwoche waren die Papiere nach dem missglückten Kapitalmarkttag mit einem Kursverlust von 20 Prozent die mit Abstand grössten Verlierer. Dass VR-Präsident und Interims-CEO Albert Baehny diese Reaktion nicht nachvollziehen kann, wie er im Gespräch mit "Finanz und Wirtschaft" sagt, lässt Anleger aktuell recht kalt.

Wie ein Blick auf das Verliererfeld zeigt, trennen sich Investoren noch von weiteren Vertretern der Gesundheitsbranche. So stehen Sandoz, Sonova und auch Straumann mit Abgaben von bis zu 1,9 Prozent ebenfalls auf den Verkaufslisten.

Gegen den Trend fester sind vor allem Zykliker. Holcim, Kühne1+Nagel, Geberit sowie ABB zeihen zwischen 0,9 und 0,1 Prozent an. Kühne+Nagel werden an diesem Mittwoch Zahlen zum dritten Quartal vorlegen.

In den hinteren Reihen sind Idorsia (+2,6%) am Tag vor den Zahlen zum dritten Quartal gesucht. Auch andere Biotechs wie Spexis (+5%) oder Addex (+3,4%) ziehen an.

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