Zürich (awp) - Am Schweizer Aktienmarkt klaffen Schein und Wirklichkeit am Dienstag klar auseinander. Denn während der Markt im Zuge einer Gegenbewegung nach dem jüngsten Ausverkauf zulegt, bleibe die Stimmung am Tiefpunkt, ist von zahlreichen Händlern zu hören. "Heute heisst es auf dem Handelsparkett erst einmal durchatmen und Wunden lecken", sagt ein Händler. Wie lange die aktuelle Stabilisierung anhalte, bleibe abzuwarten.

Die Märkte seien weiterhin volatil und es sei trotz der aktuellen Bewegung nicht auszuschliessen, dass der Ausverkauf kurz- bis mittelfristig noch tiefer gehen könnte. Im weiteren Handelsverlauf dürften sich die Marktteilnehmer auf die makroökonomischen Entwicklungen konzentrieren. So stehen etwa Reden des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell sowie die Daten zu den US-Neubauverkäufen, dem Verbrauchervertrauen des Conference Board und den langlebigen Wirtschaftsgütern auf dem Plan.

Der SMI gewinnt gegen 11.10 Uhr 0,37 Prozent hinzu auf 10'109,45 Punkte. Kurzzeitig hat er gar die 10'200er Marke genommen. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, steigt um 0,17 Prozent auf 1520,33 und der SPI um 0,37 Prozent auf 12'991,18 Punkte. Im SLI halten sich Gewinner (16) und Verlierer (14) nahezu die Waage.

Die Gewinnerliste führen AMS Osram (+3,3%) an, die damit an ihre starke Vortagestendenz anknüpfen. Im Handel war bereits am Vortag von Schnäppchenjägern die Rede. Aber auch Temenos, Logitech und VAT sind gesucht, wie Kursgewinne von bis zu 1,3 Prozent zeigen. Europaweit zählen Techwerte am Dienstag zu den grössten Gewinnern, wie die Kursgewinne von mehr als 1 Prozent beim entsprechenden Branchenindex zeigen.

Gerade die Technologiebranche hat in diesem Jahr besonders stark unter den steigenden Zinsen und den zuletzt aufgeflammten Rezessionsängsten gelitten. Alleine AMS Osram haben im bisherigen Jahresverlauf nahezu 60 Prozent an Wert eingebüsst.

Gesucht sind am Dienstag auch die beiden Uhrenhersteller Richemont und Swatch (beide +1,1%). Nachrichten gab es dabei vor allem zu Richemont. So hat ein exekutives Mitglied des Verwaltungsrats beziehungsweise ein Geschäftsleitungsmitglied der Gruppe einen grossen Block der Publikumsaktien erworben, was oft als Vertrauensbeweis an der Börse erachtet wird. Eine Datenpanne bei der Richemont-Tochter Watchfinder.com fällt dagegen kaum ins Gewicht. Zudem wirke noch ein UBS-Kommentar vom Vortag stützend, in dem die Experten speziell den Richemont-Aktien "einiges an Aufholpotenzial" attestieren.

Unter den grössten Gewinnern sind auch die unterschiedlichsten Vertreter der Gesundheitsbranche zu finden. Bereits in Asien war der Healthcare-Sektor verstärkt gefragt und auch europaweit ziehen Branchenmitglieder aktuell an.

Lonza gewinnen aktuell 1,3 Prozent. Roche, Sonova und Novartis folgen mit Aufschlägen von bis zu 0,9 Prozent.

Die meisten Finanzwerte geben mittlerweile nach. So fallen UBS, Partners Group, Swiss Life, Julius Bär, Swiss Re und die Aktien der Credit Suisse um bis zu 1,4 Prozent zurück. Gerade mit Blick auf Finanzwerte setze sich eine etwas kurzfristigere Sicht auf die jüngsten Zinserhöhungen und deren Auswirkungen auf den Finanzsektor durch, heisst es im Handel. Wie etwa die ZKB in einer aktuelle Studie schreibt, endet mit der Rückkehr der Zinsen in positives Terrain zwar eine schwierige Zeit. Allerdings sinke damit auch zunächst der Zinserfolg.

Die grössten Abgaben verbuchen allerdings SGS-Aktien, die nach einer Abstufung durch die Experten der RBC um mehr als 2 Prozent fallen.

Eine regelrechte Rolle rückwärts vollziehen Sika-Aktien, die mittlerweile um 0,7 Prozent nachgeben. Im frühen Handel hatten sie noch zu den gefragtesten Werten gezählt. Die Bauchemiefirma soll einem Agenturbericht zufolge den Verkauf von Vermögenswerten in die Wege geleitet haben, um Bedenken von Aufsichtsbehörden bezüglich der geplante Übernahme der MBCC Group auszuräumen.

In den hinteren Reihen werden vor allem MCH-Aktien (-4,2%) gemieden. Die Messegruppe hat die Bedingungen für die geplante ordentliche Kapitalerhöhung definiert und den Bezugspreis auf 4,75 Franken festgelegt.

Idorsia (+1,4%) wiederum hat sich über einen Sale-and-Leaseback-Deal 164 Millionen Franken an Liquidität besorgt. Analysten loben die nicht verwässernde Transaktionen.

hr/ra