Von William Boston

BERLIN (Dow Jones)--VW sucht von Kanada bis Indonesien nach Rohstoffen, um die Batterien für seine in den USA und Europa verkauften Elektrofahrzeuge unabhängiger von chinesischen Komponenten zu machen. Das berichtet ein leitender VW-Manager. Powerco, eine im vergangenen Jahr von VW gegründete Tochtergesellschaft, führt die Suche des Unternehmens nach natürlichen Ressourcen und anderen wichtigen Batteriekomponenten an. Letztendlich will VW seine eigene Versorgung für Batteriewerke außerhalb Chinas auf die Beine stellen und nicht auf Lieferanten aus dem Reich der Mitte für Batteriematerialien angewiesen sein. Derzeit sind die meisten in China beheimatet, berichtet VW-Technikvorstand Thomas Schmall dem Wall Street Journal.

"Heute sind wir zu 100 Prozent von China abhängig", sagte Schmall. Und er fügt hinzu, dass das Ziel von VW darin bestehe, den Anteil chinesischer Komponenten in den von den Wolfsburgern hergestellten Batterien weltweit auf durchschnittlich 50 Prozent zu reduzieren. Das bedeutet: Die Batteriewerke in Europa und Nordamerika sind dann weniger oder gar nicht mehr von chinesischen Zulieferern abhängig.

Andere westliche Automobilhersteller versuchen ebenfalls, Batterien unabhängig von China zu bauen. Die Bemühungen unterstreichen, wie sich multinationale Unternehmen anpassen, wenn der Westen versucht, seine Abhängigkeit von China zu verringern, sowohl als Markt als auch als Lieferant wichtiger Komponenten. Für die Automobilhersteller ist die Notwendigkeit, weniger abhängig von China zu werden, besonders dringlich, da die Batterie einen großen Teil des Wertes eines Elektrofahrzeugs ausmacht. Durch die Herstellung eigener Batterien mit Komponenten, die sie selbst beziehen, können europäische und US-amerikanische Automobilhersteller einen größeren Anteil am Gewinn jedes verkauften Elektrofahrzeugs erzielen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich China aber wichtige Lithium-, Kobalt- und Nickelquellen gesichert und eine eigene Industrie zur Verarbeitung und Veredelung dieser Materialien aufgebaut. Obwohl das Land nur über einen Bruchteil der weltweiten Lithiumvorräte verfügt, dominiert China nach Branchenschätzungen die globale Produktion von veredelten Batteriematerialien, die in Elektrofahrzeugbatterien verwendet werden.


   China ist Maß aller Dinge bei E-Auto-Batterien 

Diese Strategie hat nach Schätzungen von Analysten dazu geführt, dass chinesische Batteriehersteller mehr als die Hälfte des Weltmarktes für Elektroautobatterien in der Hand halten. "Sie kontrollieren alle Rohstoffe von den Minen bis zur Raffinierung", kritisiert Ian Robertson, ein ehemaliges BMW-Vorstandsmitglied. "Wenn sie den Rest der Welt in den Würgegriff nehmen wollen, können sie das tun." Die USA und die EU investieren Dutzende von Milliarden US-Dollar, um China einzuholen und seine Vorherrschaft bei den wichtigsten Rohstoffen zu brechen, die für alles von Hightech-Waffen bis hin zu Smartphones und Elektroautos benötigt werden. Nachdem Russland wegen des Einmarsches in die Ukraine im vergangenen Jahr mit Sanktionen belegt wurde, stellte Moskau die Gaslieferungen nach Westeuropa ein, woraufhin Industrie und Regierungen nach Alternativen suchten. Der Vorfall veranlasste westliche Führungskräfte dazu, nach Möglichkeiten zu suchen, um ihre Unternehmen immun zu machen, falls China diesen Schritt in seinem Tauziehen mit dem Westen um Taiwan nachahmt. VW erzielt 39 Prozent seiner Verkäufe in China, steht dort aber unter wachsendem Wettbewerbsdruck durch einheimische Autohersteller. Das Unternehmen versucht auch, seinen Marktanteil in den USA auszubauen und seine Lieferketten zu verkürzen, um angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen widerstandsfähiger zu werden.

VW wird aber weiterhin auf Lieferungen aus China zurückgreifen, um Batterien für die dort verkauften Autos herzustellen. Das Unternehmen hält eine 26-prozentige Beteiligung an Gotion High-Tech, einem der größten chinesischen Hersteller von Batteriezellen. Bei seinem Streben nach Unabhängigkeit wird VW auch auf chinesisches Know-how zurückgreifen. In Deutschland baut Powerco gemeinsam mit Gotion sein erstes Batteriewerk. Schmall und Powerco-Chef Frank Blome haben die ganze Welt bereist, um sich Ressourcen zu sichern. Sie haben sich mit Regierungsvertretern und Bergbaubetreibern aus Kanada, Südamerika, Indonesien und Australien getroffen. In Südamerika gibt es große Lithiumvorkommen. Chile hat im April angekündigt, die Lithiumindustrie des Landes zu verstaatlichen, um die Kontrolle über die Ressource zu behalten. Auch Mexiko hat Schritte zur Verstaatlichung von Lithiumvorkommen unternommen. Schmall berichtet, VW habe mit einer Reihe von Lithiumlieferanten in Südamerika gesprochen. Einer der Lithiumproduzenten, mit denen VW nach Angaben von Insidern in Kontakt war, ist Sigma Lithium, ein an der Nasdaq notiertes kanadisches Bergbauunternehmen mit Niederlassungen in Brasilien. Dieses hat mit dem Abbau von Hartgestein-Lithium begonnen, das nach Ansicht von Experten weniger umweltschädlich ist als andere Abbaumethoden.


   VW setzt gerade auch auf Kanada 

Im März gab Powerco bekannt, dass es seine bisher größte geplante Batteriefabrik im kanadischen St. Thomas, Ontario, baut, das in der Nähe von Lithium-, Nickel- und Kobaltvorkommen liegt. Ein weiterer Faktor für die Wahl des Standorts sei ein Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada gewesen, das es VW ermöglichen würde, Batteriematerialien oder -zellen aus Kanada nach Europa zu exportieren, wenn es einmal eng werden sollte. Das erläutert Schmall. Im April erklärte der indonesische Präsident Joko Widodo vor Reportern auf der Hannover-Industriemesse, dass VW in die Batterieindustrie des Landes investieren wolle, unter anderem in ein Projekt zum Bau einer Nickelschmelze im Lande. Nickel ist der Schlüssel zur Herstellung von Batterien, die eine größere Menge an Strom zu niedrigeren Kosten als andere Batterietypen speichern können. Indonesien, einer der größten Nickelproduzenten der Welt, hat die Ausfuhr von Rohnickel im Jahr 2020 verboten. "Wir sind in laufenden Verhandlungen über konkrete Projekte", erläutert Schmall. "Ich würde sagen, Indonesien ist sicherlich einer der wichtigsten Partner für Nickel, an dem man nicht vorbeikommt."

In einigen Fällen könnte VW laut Schmall direkt in einen Minenbetreiber investieren, um sich die Ressourcen zu sichern. In anderen Fällen strebt VW langfristige Lieferverträge an. Der größte Kobaltproduzent ist die Demokratische Republik Kongo, die von Menschenrechtsgruppen wegen mutmaßlichen Missbrauchs und Kinderarbeit in den Minen kritisiert wird. Nach Ansicht Schmalls ist es wahrscheinlicher, dass VW Kobalt über langfristige Verträge erwirbt, als in einen Minenbetreiber zu investieren. Längerfristig würde VW Batterietechnologien erforschen, die kein Kobalt benötigen, fügt er hinzu. In Europa gibt es nicht nur einen Mangel an Rohstoffen, die für die Herstellung von Elektroauto-Batterien benötigt werden, sondern auch nur wenige Unternehmen, die diese Materialien verarbeiten.

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June 05, 2023 10:37 ET (14:37 GMT)