FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Solide Wirtschaftsdaten, der starke Euro und zuweilen grenzenlos anmutende Euphorie der Investoren liefern für einige Analysten erste Anzeichen nachlassender Dynamik an den Aktienmärkten. Den DAX sehen Charttechniker zunächst weiterhin im Aufwärtsmodus.

29. Januar 2018. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Ein neues zwischenzeitliches Allzeithoch und ein Minus von rund 0,7 Prozent: das ist die Wochenbilanz beim deutschen Aktienindex. Gleichzeitig kommen Dow Jones Industrial, S&P 500 und Nasdaq vor dem Hintergrund neuer Spitzennotierungen auf Gewinne von 2,1, 2,2 und 2,3 Prozent. Nach Ansicht von Chris-Oliver Schickentanz werden die Geschicke an den Aktienmärkten unter anderem vom Verhältnis zwischen Euro und US-Dollar bestimmt. Während die Schwäche des Greenback und der Anschub durch die Steuerreform die Aktienbarometer in den Vereinigten Staaten nach wie vor voranbrächten, sieht der Analyst der Commerzbank in der scheinbar grenzenlosen Euphorie erste Anzeichen für nachlassenden Schwung.

Aktienkäufe institutioneller Investoren in Höhe von 32,9 Milliarden Euro bei sinkenden Barbeständen globaler Fondsmanager auf einen rekordtiefen Wert sowie eine stattliche Aktienquote US-amerikanischer Privatanleger erhöhten die Wahrscheinlichkeit einer Kurskorrektur in den kommenden Wochen.

Hierzulande könne die Dynamik noch anziehen. Derzeit litten die europäischen Börsen zwar unter dem starken Euro und fielen deshalb etwas zurück. Nach und nach würde aber die Berichtssaison in den Mittelpunkt rücken, die bisher durchaus positiv verlaufe.

Vorboten einer Korrektur?

Obwohl auf den ersten Blick alles in bester Ordnung zu sein scheint, sieht Markus Reinwand in den Ergebnissen des jüngsten ifo-Geschäftsklimas ein Haar in der Suppe. Deutsche Unternehmen beurteilten die gegenwärtige Geschäftslage zwar erneut positiver, die Erwartungen für die kommenden sechs Monate seien aber bereits zum zweiten Mal in Folge etwas verhaltener ausgefallen. "Dies ist erfahrungsgemäß ein Indiz dafür, dass die Konjunkturstimmung ihren Gipfel ausbildet", urteilt der Analyst der Helaba. Die für Aktien beste Phase wäre damit vorbei. Neben zyklischen Argumenten sprächen auch die hohe Bewertung und die recht ausgelassene Stimmung eher für eine anstehende Korrektur als für weitere Kursavancen.

Für Robert Halver trüben die nachgebenden Geschäftserwartungen das Bild nicht wirklich. "Sie sind der zögerlichen Regierungsbildung und dem höheren Euro geschuldet", urteilt der Analyst der Baader Bank. Diese Effekte würden sich jedoch auswachsen. Setze man ifo-Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung, befinde sich die deutsche Industrie stimmungsseitig weiterhin eindeutig in der Konjunkturphase Boom.

Das US-Fundament stimmt

Die Aktienmärkte zeigen sich robust, wie Halver feststellt. Die lediglich bis zum 8. Februar aufgeschobene Haushaltssperre in den Vereinigten Staaten betrachteten Anleger eher als politisches Geplänkel. Neben einer entspannten Geldpolitik spiele an den Märkten angesichts robuster weltkonjunktureller Perspektiven die fundamentale Lage eine immer wichtigere Rolle. Auch die stabil ausfallenden Ausblicke im Rahmen der Berichtsaison für das vierte Quartal 2017 verliehen der globalen Aktien-Rallye mehr Substanz.

"Insbesondere die guten Daten des US-Baumaschinenherstellers Caterpillar - eine der typischen Weltkonjunktur-Aktien - untermauern die weltwirtschaftliche Festigung." Dies führe zu Entspannungstendenzen bei der Bewertung von US-Aktien. Zudem sprächen höhere Zinsen und attraktivere Renditen für US-Staatsanleihen im Vergleich zum anhaltenden geldpolitischen Kuschelkurs der Eurozone für, nicht gegen den US-Dollar.

Eurostärke nicht von Dauer

Das sieht Claudia Windt von der Helaba ähnlich. Langfristig werde die Gemeinschaftswährung ihr hohes Niveau insbesondere zum US-Dollar nicht halten können. Während in den USA die Zinserwartungen stetig stiegen, bemühe sich die Europäische Zentralbank, etwaige Zinserhöhungsphantasien aus dem Euro zu nehmen. Auf der jüngsten Pressekonferenz habe Notenbankchef Mario Draghi nicht nur einen Zinsschritt noch in diesem Jahr praktisch ausgeschlossen. Er habe zudem eindringlich betont, dass die Leitzinsen nach einem Ende der Anleihekäufe noch lange auf dem gegenwärtigen niedrigen Niveau bleiben könnten.

In der Berichtswoche wird es nach Auffassung von Windt vermutlich noch nicht zu einer Gegenbewegung kommen. Vor dem Hintergrund solider US-Wirtschaftsdaten und einer eher unspektakulären Sitzung der Federal Reserve habe Donald Trump im Rahmen seiner anstehenden Rede zur Lage der Nation das Zeug, etwa mit dem Thema Handel mit China politische Risiken wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Aufwärtstrend intakt

Aus technischer Perspektive untermauert das frische DAX-Allzeithoch vom vergangenen Dienstag bei knapp 13.597 Punkten auf Intraday-Basis nach Ansicht von Karen Szola die intakte Hausse. Wie aktuell zu beobachten würden diese Phasen naturgemäß von zwischenzeitlichen Konsolidierungspausen unterbrochen. Bei dem jüngsten Rücksetzer sei bisher der Unterstützungsbereich um 13.200 Zähler verschont geblieben, der sich seit November regelmäßig zunächst als Widerstand und ab Januar als Unterstützung in Szene gesetzt habe. "Immerhin legte das deutsche Aktienbarometer seit Jahresbeginn in der Spitze um 5,4 Prozent zu", erinnert die die technische Analystin von Euro am Sonntag und Börse Online.

"Sollte sich auch in diesem Jahr der Januar-Effekt - As goes January, so goes the year - bewahrheiten, steht dem DAX ein erfolgreiches Jahr mit anziehenden Notierungen bis in die Region um 14.000 Punkte bevor."

Rutsche der DAX jedoch nachhaltig unter den beschriebenen Halt bei 13.200 Zählern, würde damit Szola zufolge eine neue Korrekturwelle ausgelöst, die bis zur 200-Tage-Linie bei derzeit 12.723 Punkten laufen könnte. "In diesem Fall wäre der jüngste Anstieg auf ein neues Hoch als mögliche Bullenfalle einzustufen."

Noch reicht die Kraft nicht

Auch für Gregor Bauer ist der DAX-Rückfall nach dem kurzen Ausbruch in den Bereich neuer Allzeithochs kein Grund zur Sorge. "Ganz selten werden derartig markante Chartmarken in einem Sprung übertroffen", weiß der unabhängige technische Analyst. Der deutsche Aktienindex könne nun erst mal wieder Luft holen, um dann den finalen Ausbruch zu starten. Zum Wochenschluss hätten auch die US-Märkte wieder positive Impulse geliefert.

"Im nächsten Anlauf muss der Widerstandsbereich zwischen etwa 13.400 und dem Allzeithoch dann aber nachhaltig durchbrochen werden." Ein nochmaliges Scheitern würde vermutlich verstärkten Abgabedruck vonseiten enttäuschter Bullen zur Folge haben. Die nächsten Unterstützungen lägen in dem Fall zwischen 13.150 und 13.200 DAX-Punkten. Darunter böte der Bereich um 12.950 bzw. 12.850 Punkte Halt.

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten

Mittwoch, 31. Januar

2.00 Uhr. China: Einkaufsmanagerindex Verarbeitendes Gewerbe (CLFP) Januar. Obwohl - oder gerade weil - die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft im vergangenen Jahr mit einem Anstieg beim Bruttoinlandsprodukt von 6,9 Prozent ein unerwartet hohes Expansionstempo an den Tag gelegt hat, rechnet die NordLB für dieses Jahr mit einer spürbaren Wachstumsverlangsamung. In den Einkaufsmanagerumfragen der China Federation of Logistics and Purchasing (CFLP) werde diese Erwartung angesichts eines vermutlich nur dezenten Rückgangs auf 51,2 Punkten beim verarbeitenden Gewerbe aber noch nicht deutlich. Auch das an Bedeutung gewinnende Dienstleistungssegment dürfte nur leicht nachgeben, so dass sich beide Indizes komfortabel oberhalb der technischen Expansionsschwelle von 50 Zählern halten sollten. In Bezug auf die im Jahresverlauf zu erwartende Abkühlung lohne ein Blick auf die Unterteilung des PMI Manufacturing nach Unternehmensgrößen. Ein schwierigeres konjunkturelles Umfeld komme aller Voraussicht nach zuerst bei den kleinen und mittelgroßen Betrieben zum Tragen.

20.00 Uhr. USA: Zinsentscheid Federal Reserve. Noch ein letztes Mal darf die amtierende Präsidentin der US-Notenbank die FOMC-Sitzung leiten, bevor Jerome Powell das Zepter übernimmt. So historisch die FOMC-Sitzung am kommenden Mittwoch auch sein mag, passieren dürfte nach Ansicht der NordLB herzlich wenig. Mit großer Wahrscheinlichkeit bleibe der Leitzins bei 1,50 Prozent. Zudem werde es weder eine anschließende Pressekonferenz noch aktualisierte Projektionen geben. Deshalb würden Marktteilnehmer das FOMC-Statement akribisch nach Hinweisen für die weitere geldpolitische Ausrichtung abklopfen. Die Analysten der NordLB rechnen mit erneuten Hinweisen auf eine anhaltend gute Konjunkturentwicklung bei nach wie vor nur geringem Inflationsauftrieb, was perspektivisch eine behutsame Normalisierung der Geldpolitik rechtfertige. Den nächsten Zinsschritt sieht die NordLB im März. Weitere könnten im Juni und Dezember folgen.

von: Iris Merker

29. Januar 2018, © Deutsche Börse AG

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