FRANKFURT (awp international) - Am deutschen Aktienmarkt hat sich am Freitag der Kursrutsch angesichts des Ukraine-Kriegs beschleunigt. Ein Feuer auf dem Gelände des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja schürte die Sorgen der Anleger an den Märkten noch weiter an. Der Dax sank am Nachmittag um 3,53 Prozent auf 13 214,27 Punkte, zeitweise rückte der deutsche Leitindex zuvor noch etwas näher an die psychologisch wichtige Marke von 13 000 Zählern heran.

Der MDax der mittelgrossen Werte fiel um 3,97 Prozent auf 29 128,43 Punkte - der Index ist mittlerweile auf dem tiefsten Stand seit Ende 2020 angekommen. Auch auf europäischer Bühne setzte sich der Abwärtsdruck fort, der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 verlor zuletzt 3,66 Prozent auf 3604,78 Zähler.

"Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit all seiner Zerstörung und Opfern hält die Welt in Atem und führt an den Märkten zu einem enormen Mass an Unsicherheit", schrieb Aktienstratege Uwe Streich von der LBBW. Seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine in der vergangenen Woche lastet der Krieg schwer auf den Börsenkursen. Der Dax ist inzwischen zurück auf dem Stand vor mehr als einem Jahr. Vom im vergangenen November erreichten Rekordhoch bei rund 16 290 Punkten aus gesehen, hat das Börsenbarometer inzwischen fast ein Fünftel an Wert eingebüsst.

Durch den Fall unter wichtige technische Unterstützungslinien beschleunigte sich die Abwärtsspirale am letzten Handelstag der Woche weiter. Auf Wochensicht steuert der deutsche Leitindex aktuell auf ein Minus von rund 9 Prozent zu.

Während Anleger am Freitag auch weltweit Aktien den Rücken kehrten, flüchteten sich die Investoren erneut in als sicher geltende Häfen wie Bundesanleihen und Edelmetalle. Die Preise an den Rohstoffmärkten für Energieträger wie Öl und Gas und Industriemetalle wie Aluminium und Nickel stiegen weiter. Vor diesem Hintergrund beschreiben viele Kenner inzwischen das drohende Szenario einer Stagflation, also einer Wirtschaftsschwäche bei gleichzeitig hoher Inflation. Die Experten der Privatbank Donner & Reuschel halten es deshalb auch für möglich, dass die Notenbanken etwas weniger schnell ihre Zinsen anheben könnten.

Auf dem hiesigen Aktienmarkt war die Liste der Gewinner entsprechend kurz. Merck Papiere knüpften mit mehr als zwei Prozent Aufschlag an die jüngsten Gewinne an. Ein optimistischer Ausblick des Pharma- und Spezialchemiekonzerns hatte am Vortag dem bereits seit Wochen schwächelnden Kurs Auftrieb gegeben. Am Dax-Ende fanden sich im Einklang mit dem europaweit schwachen Sektor die Aktien der Deutschen Bank mit gut sieben Prozent Minus wieder.

RWE -Anteile konnten sich an der Index-Spitze mit mehr als vier Prozent Plus nach dem jüngsten Kursrutsch des Energiekonzerns stabilisieren. Aktien von Uniper , des grössten deutschen Importeurs von russischem Erdgas, blieben mit knapp zwölf Prozent Minus im freien Fall.

KWS Saat rutschten zuletzt um knapp fünf Prozent ab, der Saatgutkonzern kürzte mit Blick auf sein nunmehr unsicheres Geschäft der Töchter in der Ukraine und Russland die Prognosen.

Auch Autobauer standen wegen ihrer hohen Konjunkturabhängigkeit weiterhin enorm unter Druck. Zu den hohen Ölpreisen kommt hier die Sorge um womöglich erneute Produktionsunterbrechungen. Im Dax reichten die Verluste von knapp zwei Prozent für Mercedes-Benz bis mehr als sieben Prozent für Porsche. Dem Lkw-Bauer Daimler Truck half auch der winkende Dax-Aufstieg wenig, die Papiere gaben um fast sechs Prozent nach.

Auch Lufthansa -Anteile wurden mit einem Minus von vier Prozent weiter verkauft. Fraport rutschten noch deutlicher um mehr als acht Prozent, der Flughafenbetreiber lässt seine Aktivitäten am Pulkovo-Flughafen in St. Petersburg ruhen, an dessen Betreiber Northern Capital Gateway er beteiligt ist.

Überschattet von den Auswirkungen des Krieges sorgte das anstehende Stühlerücken in der Dax-Familie nur noch für wenig Aufmerksamkeit: Hannover Rück, die vom MDax in den Dax wechseln verloren rund fünfeinhalb Prozent. Dax-Absteiger Siemens Energy gaben nach anfänglich moderaten Gewinnen knapp zwei Prozent nach.

An den Devisenmärkten fiel der Euro erstmals seit Mai 2020 unter die Marke von 1,09 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Vortag auf 1,1076 Dollar festgesetzt.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von minus 0,08 Prozent am Vortag auf minus 0,15 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,12 Prozent auf 143,17 Punkte. Der Bund-Future kletterte um 0,82 Prozent auf 170,53 Zähler./tav/jha/

--- Von Tanja Vedder, dpa-AFX ---