WOLFSBURG (dpa-AFX) - Nach dem schwierigen, aber insgesamt doch profitablen Corona-Jahr 2020 will der VW-Konzern möglichst bald wieder zu alter Stärke zurückfinden. Einen wesentlichen Beitrag soll mittelfristig eine neue Plattformstrategie liefern, die nicht nur verschiedene Varianten der Antriebs-Hardware, sondern auch Batterien, Software und Mobilitätsdienste mehr vereinheitlicht. So will Volkswagen seine Größenvorteile nutzen und die Kosten weiter senken.

"Das gute Abschneiden im Krisenjahr 2020 gibt uns Rückenwind für die Beschleunigung unserer Transformation", sagte Vorstandschef Herbert Diess am Dienstag zur Bilanzvorlage. Die VW-Gruppe konnte - trotz deutlicher Einbußen vor allem im zweiten Quartal - unterm Strich erneut einen hohen Gewinn einfahren. Nach Steuern blieben rund 8,8 Milliarden Euro in der Kasse. Nimmt man das Jahr vor der Pandemie als Maßstab, wird der Dämpfer allerdings deutlich: 2019 hatte der Konzern noch ein Nachsteuer-Ergebnis von gut 14 Milliarden Euro geschafft.

Die im Dax notierte Vorzugsaktie von VW legte an der Indexspitze weiter deutlich um 5,4 Prozent auf 205,20 Euro zu. Die starken Ergebnisse würden vor allem von den Konzerntöchtern Porsche und Audi getragen sowie vom Geschäft mit Finanzdienstleistungen, schrieb NordLB-Analyst Frank Schwope. Das Thema Elektromobilität treibe das Management derweil dynamisch voran. Der Experte ist nun optimistischer und empfiehlt den Titel auch zum Kauf.

Die Vorzugsaktie hat seit Monaten einen guten Lauf, mittlerweile hat der Börsenwert des Konzerns rund 116 Milliarden Euro erreicht. Ende Oktober war die Aktie noch um die 125 Euro wert - seitdem hat sie über 60 Prozent an Wert gewonnen. Mehr und mehr honorieren Investoren den Schwenk von Diess in Richtung Elektroautos und einen schnelleren Umbau des Konzerns in Sachen Vernetzung und Digitalisierung. Die Stammaktien, die zum großen Teil in der Hand der Familienholding Porsche SE sowie dem Land Niedersachsen und einem Staatsfonds aus Katar liegen, schossen am Dienstag sogar um gut 14 Prozent nach oben.

In diesem Jahr sollen eine Million elektrifizierte Fahrzeuge ausgeliefert werden. 2020 war es bei reinen Elektroantrieben schon mehr als eine Verdreifachung, bei Plug-in-Hybriden ein Anstieg um 175 Prozent. Einen festen Zeitpunkt für das Ende des Verbrennungsmotors lehnt VW weiter ab.

"Der Wechsel zur E-Mobilität erfolgt weltweit unterschiedlich schnell, abhängig von der lokalen Gesetzgebung und Verfügbarkeit von CO2-freier Primärenergie", sagte Diess. VW setze eher auf die Marktdurchdringung mit E-Autos: "2030 gehen wir davon aus, dass die Hälfte der Fahrzeuge, die wir weltweit verkaufen, batterieelektrisch angetrieben sein wird." Audi hatte angekündigt, ab sofort zumindest keine neue Generation von Verbrennungsmotoren mehr zu entwickeln.

Ein Problem bleibt der Teilemangel bei Halbleitern. "Die Situation ist noch immer unübersichtlich", meinte Diess. "Bisher kommen wir gut durch, haben aber auch eine Produktion von 100 000 Autos verloren, die wir im Jahresverlauf wohl nicht aufholen werden." Der scheidende Finanzchef Frank Witter sagte hierzu: "Wir werden die Auswirkungen im Zaum halten, aber das wird uns das ganze Jahr beschäftigen."

Bei den Erlösen rechnet VW 2021 mit einem bedeutenden Plus, nachdem es 2020 um 12 Prozent auf 223 Milliarden Euro abwärtsgegangen war. Auch die Profitabilität soll zulegen, schnellstmöglich soll das Ergebnis im laufenden Geschäft wieder auf 7 bis 8 Prozent des Umsatzes steigen. Die Ambition ist, 2022 wieder in diese Regionen zu kommen. 2020 hatte es wegen der schwächeren Verkäufe einen Rückgang auf 4,8 Prozent gegeben. Für 2021 peilt das Management 5,0 bis 6,5 Prozent an, möglichst am oberen Ende. In der Mittelfristplanung aus dem November standen für das kommende Jahr noch 6 bis 7 Prozent.

Die einzelnen Konzernmarken schnitten im vergangenen Jahr meist besser ab als zwischenzeitlich erwartet. Die Hauptsparte VW Pkw schaffte es dank der zweiten Jahreshälfte mit einem Betriebsgewinn von 454 Millionen Euro doch noch in die schwarzen Zahlen. Der Umsatz der Marke brach um ein knappes Fünftel auf 71,1 Milliarden Euro ein.

Bei Audi machte sich die Krise mit einem Umsatzminus von 10 Prozent auf 50 Milliarden Euro und einem operativen Ergebnisrückgang um 40 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro bemerkbar. Gut weg kam Porsche, wo der Umsatz mit 26,1 Milliarden Euro stabil blieb und das operative Ergebnis nur um 5 Prozent auf 4,0 Milliarden Euro sank. Die leichten VW-Nutzfahrzeuge, Seat und der Lkw-Bauer MAN meldeten dagegen klare Verluste im laufenden Geschäft. Die VW-Gemeinschaftsunternehmen im Kernmarkt China, deren operative Ergebnisse nicht in die Konzernbilanz einfließen, verdienten mit 3,6 Milliarden Euro etwa 800 Millionen Euro weniger.

Zur Bewältigung der Dieselkrise flossen 2020 weitere 2,5 Milliarden Euro aus dem Konzern ab. "Wir werden, was die Auszahlungen betrifft, das 2021 in etwa wieder sehen", sagte Witter. Es geht hierbei um Verpflichtungen etwa aus Prozessen und Vergleichen. 931 Millionen Euro kamen im vorigen Jahr als zusätzliche Ergebnisbelastung hinzu.

Die CO2-Ziele der EU verfehlte der Konzern im vorigen Jahr knapp. Insgesamt konnten allerdings deutliche Einsparungen des Treibhausgases erzielt werden, der Ausstoß sank um gut ein Fünftel. Umweltschützer kritisieren die Berechnung und sehen Schlupflöcher - die reale Klimabilanz vieler Autobauer seit weiter deutlich schlechter als offiziell angegeben.

2021 will VW weitere E-Modelle herausbringen. In den kommenden Jahren soll zudem ein eigenes Netz von Batteriezellfabriken entstehen./jap/men/stk