Frankfurt - Der Reisekonzern TUI setzt nach einem gewinnbringenden Sommer auf eine anhaltend hohe Nachfrage im nächsten Jahr.

Die Zahl der Kunden könne 2023 fast das Vorkrisenniveau von 21 Millionen erreichen, sagte der neue TUI-Chef Sebastian Ebel am Mittwoch. Im Ende September abgeschlossenen Geschäftsjahr 2022 zählte der Weltmarktführer für Pauschalreisen 16,7 Millionen Gäste, da bis zum Sommer Corona-Reisehürden abgebaut wurden. "Wir erwarten auch ein solides und gutes Jahr 2023, sind uns der externen Marktfaktoren aber sehr bewusst." Die Folgen von Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie, Inflation und hoher Energiepreise sowie Wechselkursausschlägen seien in der Prognose berücksichtigt. Wegen der Unsicherheit ist diese zunächst grob: starkes Umsatzplus und deutlich mehr Betriebsgewinn.

"TUI ist wieder auf Kurs", urteilte Sophie Lund-Yates, Analystin vom britischen Vermögensverwalter Hargreaves Lansdown. Die steigenden Lebenshaltungskosten machten es aber unmöglich, die Nachfrage einzuschätzen. "Sonnige Kurzurlaube stehen bei der Kernkundschaft von TUI derzeit alles andere als oben an."

ANGEBOTE FÜR "TRAVELISTAS"

Die große Reiselust im Sommer bescherte TUI im Gesamtjahr erstmals wieder einen operativen Gewinn. Der bereinigte Betriebsgewinn belief sich auf 409 Millionen Euro. Der Verlust schrumpfte auf 212 Millionen Euro nach 2,5 Milliarden Euro im Vorjahr. Der Umsatz war mit 16,55 Milliarden Euro fast viermal so hoch wie ein Jahr zuvor, als Reisebeschränkungen in der Pandemie das Geschäft mit Pauschalreisen und Kreuzfahrten erschwerten. Gerettet hat TUI das Sommerquartal von Juli bis September, in dem allein eine Milliarde Euro Gewinn vor Steuern abfiel. Die Gästezahl habe in den drei Sommermonaten mit 7,6 Millionen 93 Prozent des Vorkrisenniveaus von 2019 erreicht. Die Reisepreise lagen im Schnitt 30 Prozent über dem Vorjahr und sollen weiter steigen.

"Der Tourismus bleibt ein langfristiger und attraktiver Wachstumssektor", sagte Ebel. Die Formel für profitables Wachstum des weltgrößten Reisekonzerns laute: "Neue Produkte, zusätzliche Kunden, mehr Marktanteile." Erschließen will der Pauschalreise-Riese das Geschäft mit individuell gestalteten Rundreisen. Über ein Internetportal und später über eine App können sich Kunden Reisen mit Flug, Hotel und Mietwagen über TUI zusammenstellen und unterwegs bei Bedarf ändern. Damit sollen ältere Kulturreisende oder junge abenteuerlustige Urlauber, die "Travelistas", angesprochen werden. TUI Musement, die Plattform für Ausflüge, Museums- und Veranstaltungstickets, soll dem in Europa starken Konkurrenten "GetyourGuide" Marktanteile abjagen.

ERNEUTE KAPITALERHÖHUNG

Der in der Corona-Krise vom Staat vor dem Untergang bewahrte Konzern hat die Schulden um 30 Prozent auf netto 3,4 Milliarden Euro abgebaut und hat wieder mehr flüssige Mittel, um den Winter zu überbrücken. Um ganz vom staatlichen Finanztropf loszukommen, muss TUI aber zum vierten Mal den Kapitalmarkt anzapfen, wie der Konzern am Dienstagabend angekündigt hatte. Die in London und Frankfurt notierte Aktie fiel um bis zu acht Prozent.

Die Kapitalerhöhung werde 1,6 bis 1,8 Milliarden Euro schwer sein, erklärte Finanzvorstand Mathias Kiep. Mit dem Geld will TUI die noch ausstehende Stille Einlage des Bundes und eine Optionsanleihe zuzüglich Zinsen zurückzahlen. Das allein kostet laut Kiep bis zu 960 Millionen Euro. Zudem muss TUI voraussichtlich erstmals die Kreditlinie der Staatsbank KfW mit 800 bis 900 Millionen Euro anzapfen, um über den Winter zu kommen. Um überhaupt neue Aktien ausgeben zu können, muss TUI vorher aus zehn Aktien eine machen. Dem müssen die Aktionäre auf der Hauptversammlung am 14. Februar zustimmen.

(Bericht von Ilona Wissenbach, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)