Börsen-Zeitung: Armageddon am Ölmarkt, Marktkommentar von Dieter

Kuckelkorn

Frankfurt (ots) - Die gerade beendete Handelswoche ist denkwürdig

verlaufen. Die führende US-Leichtölsorte West Texas Intermediate

(WTI) ist unter 30 Dollar, Brent Crude sogar erstmals seit zwölf

Jahren unter 29 Dollar je Barrel gerutscht. Der Ölpreis hat, wenn man

von dem Brent-Höchststand vom Sommer 2014 ausgeht, rund 75%

eingebüßt. Es handelt sich um eine der ausgeprägtesten Baissen, die

der Ölmarkt jemals gesehen hat.

Daher drängen sich historische Vergleiche auf, die auch helfen

könnten auszuloten, wie weit es mit dem Ölpreis noch nach unten geht.

Dabei fällt auf, dass selbst der Einbruch im Rahmen der von der

Finanzkrise ausgelösten globalen Rezession der Jahre 2008/09 auf ein

Brent-Tief von 33,73 Dollar mit 76% in etwa genauso stark ausgefallen

ist wie die aktuelle Baisse, die nicht mit einer globalen Rezession

verbunden ist. Und bei dem Rücksturz des Ölpreises im Jahr 1991 nach

dem Ende der Angst-Hausse des ersten Irak-Kriegs hat es sich nur um

eine Halbierung des Preises gehandelt. Nimmt man diese Vergleiche als

Maßstab, müsste der Tiefpunkt der Entwicklung bald erreicht sein.

Auf der anderen Seite war der Ölpreis im Gefolge der Asienkrise

des Jahres 1998 bis auf 10,65 Dollar abgerutscht, was

inflationsadjustiert einem aktuellen Wert von 15,47 Dollar

entspricht. Dies zeigt, dass es auch früher durchaus schon

Situationen gegeben hat, in denen dem Produzentenkartell Organisation

Erdöl exportierender Länder (Opec) und den anderen großen Anbietern

die Kontrolle über den Ölmarkt vollständig entglitten ist.

Wird der Ölpreis also noch weiter einbrechen? Die Rohstoffexperten

der britischen Standard Chartered halten dies für möglich. Sie halten

den aktuellen Rekord unter den Rohstoffanalysten, was die niedrigste

veröffentlichte Ölpreiserwartung betrifft. Eine Notierung von gerade

einmal 10 Dollar halten sie für denkbar, auch wenn sie darauf

hinweisen, dass ein solches Niveau absolut nichts mehr mit der

fundamentalen Lage auf dem Ölmarkt zu tun hätte. Damit haben sie die

Experten von Goldman Sachs abgelöst, die kurz vor Weihnachten mit der

Warnung Aufsehen erregt hatten, es seien Notierungen von 20 Dollar

denkbar.

Es gibt durchaus Gründe für anhaltenden Pessimismus. Die Nachfrage

nach dem Energieträger wird nach Einschätzung der Internationalen

Energieagentur IEA bis in die zweite Jahreshälfte hinein schwächeln,

wobei die weltweite Ölindustrie schon jetzt 1,5 Mill. Barrel pro Tag

(bpd) zu viel produziert. Bei dieser Ölflut könnten sogar die

weltweiten Lagerkapazitäten knapp werden. Zudem ist die Opec heillos

zerstritten, zwei der wichtigsten Mitglieder - Saudi-Arabien und der

Iran - unterhalten mittlerweile nicht einmal mehr diplomatische

Beziehungen.

Das Angebot dürfte noch weiter wachsen. Die Internationale

Atomenergiebehörde wird aller Voraussicht nach feststellen, dass der

Iran die Bedingungen des den Atomstreit beendenden Abkommens erfüllt

hat, so dass die Sanktionen gegen das Land in Kürze fallen werden.

Der Iran kann nun sofort 500.000 bpd zusätzlich auf den Markt werfen

und binnen sechs Monaten 1 Mill. bpd. Steht damit - aus Sicht der

Anbieter - das Armageddon des Ölmarktes bevor?

Ganz so schlimm wird es wohl nicht kommen. Die zusätzliche

iranische Produktion ist keine Überraschung mehr, sie dürfte längst

eingepreist sein. Das Land hat jüngst signalisiert, man werde bei der

Ausweitung mit Augenmaß vorgehen. Innerhalb der Opec nimmt der Druck

auf die momentan zunehmend erratisch agierende saudische Monarchie

zu, sie möge dazu beitragen, dass sich die Kontrahenten im Opec-Rund

zum Zweck der Preisstabilisierung zusammenraufen.

Damit würde die Opec bei dem Schwergewicht außerhalb des Kartells,

Russland, offene Türen einrennen. Die russische Regierung hat den

Staatshaushalt für das Jahr 2016 nämlich mit einem Ölpreis von 50

Dollar durchkalkuliert, was hinter den Kremlmauern allmählich

Panikgefühle aufkommen lässt - in der Regierungssprache heißt das,

man führe derzeit "Stresstests" mit verschiedenen Ölpreisszenarien

durch. Und Washington erwartet gar, dass die bislang überraschend

robuste US-Schieferölförderung bis September um 900.000 bpd

zurückgehen wird.

Daher ist damit zu rechnen, dass ganz allmählich eine Bodenbildung

des Ölpreises stattfindet, auch wenn die Marke von 30 Dollar vorerst

unter dem Eindruck des bevorstehenden Endes der Sanktionen gegen den

Iran gefallen ist.

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