HERZOGENAURACH (dpa-AFX) - Der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler hat wie die gesamte Branche ein bewegtes Jahr hinter sich. 2019 könnte das Jahr sein, in dem es mit der Autoindustrie noch schärfer bergab geht - doch es besteht auch Hoffnung auf Besserung. Was bei Schaeffler los ist, was Experten sagen und wie die Aktie zuletzt gelaufen ist.

DAS IST LOS BEI SCHAEFFLER:

Schon im Mai - und damit früher als viele andere Branchenvertreter - klagte Schaeffler über Schwierigkeiten im Markt und führte hohen Preisdruck als Begründung an. Das Autozuliefergeschäft macht beim Wälzlager- und Getriebespezialisten den weitaus größeren Teil des Umsatzes aus. Ende Oktober mussten die Franken dann ihre ursprünglichen Umsatz- und Gewinnziele endgültig zusammenstreichen, nachdem zwischenzeitlich noch bessere Aussichten im sonstigen Industriegeschäft gestützt hatten.

Dann schlitterte der chinesische Automarkt abrupt in eine tiefe Flaute: Die Zollstreitigkeiten zwischen den USA und China verunsicherten Kunden in dem größten Automarkt der Welt, sie hielten sich mit dem Autokauf seit Jahresmitte spürbar zurück. In Europa brachte die Einführung des neuen Abgas- und Verbrauchsstandards WLTP die Autoproduktion durcheinander.

Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld, der kürzlich eine Vertragsverlängerung um weitere fünf Jahre erhielt, bereitete die Anleger angesichts der Probleme in der Branche bereits auf mehr Enttäuschungen vor. "Es wird schwieriger, unter den neuen Rahmenbedingungen die Mittelfristziele bis 2020 zu erreichen", sagte er im Dezember in einem Interview der "Welt". Im März will das Unternehmen dazu konkreter werden. Bislang angestrebt sind ein währungsbereinigtes Umsatzplus von 4 bis 6 Prozent pro Jahr, eine operative Marge (Ebit vor Sondereffekten) von 12 bis 13 Prozent im Jahr 2020 und ein Free Cashflow vor Zu- und Verkäufen von 900 Millionen Euro.

Fürs abgelaufene Jahr waren die Ziele zuletzt spürbar trüber mit 4 bis 5 Prozent Wachstum, 9,5 bis 10,5 Prozent Marge und einem Free Cashflow von 300 Millionen Euro.

Schwierigkeiten bleiben der Branche auch im neuen Jahr erhalten: Bei Zulieferern stehen hohe Anlaufkosten für Teile rund um den Elektromotor ins Haus. Schaeffler will sich künftig stärker auf Module und Systeme für Elektroautos konzentrieren. Und nach dem Branchen-Tohuwabohu rund um WLTP im Vorjahr steht in diesem Jahr die Einführung des Abgasmessstandards RDE an, der Verbrauch und Abgasausstoß im realen Auto-Fahrbetrieb noch stärker einbeziehen soll.

Auf der anderen Seite könnte die chinesische Regierung mit stützenden Maßnahmen auf dem Automarkt eingreifen, nachdem es 2018 zum ersten Mal seit mindestens zwanzig Jahren wohl zu einem Abschwung gekommen ist. Peking hat bei Schwierigkeiten schon des öfteren eingegriffen und etwa mit Steuererleichterungen den Markt wieder angeheizt. Außerdem könnten sich die Streithähne Donald Trump und Xi Jinping auch noch auf ein Ende des schwelenden Handelskonflikts einigen.

Aus eigener Kraft steuert Schaeffler unter anderem mit Kosteneinsparungen gegen: Weltweit werden bis 2021 rund 950 Stellen gestrichen, rund die Hälfte davon in Deutschland. Zwei Werke in Großbritannien werden mittelfristig geschlossen. Zunächst kosten die Umbauten im Konzern aber Geld. In der lange schwächelnden Industriesparte hatte Schaeffler über die vergangenen Jahre bereits kräftig umgebaut.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Im Branchenvergleich fährt Schaeffler weiter recht auskömmliche Margen ein - höher als die der Premium-Autobauer. Das könnte Begehrlichkeiten bei diesen und bei den Massenherstellern wecken, sollte die Flaute länger anhalten. Analyst Max Warburton von Bernstein Research sieht jedenfalls zunehmenden Preisdruck auf die Zulieferer, da die Autobauer angesichts schärferer Abgasvorschriften und geringerem Wachstum ebenfalls unter Druck blieben. Der Einkauf stehe bei ihnen für rund 60 Prozent der Kosten, und da Arbeitsplätze, Forschungsausgaben und Werbung für sie regelrecht unantastbar seien, dürften sie die Zulieferer ins Visier nehmen.

JPMorgan-Experte Jose Asumendi sieht Autozulieferer in einer verzwickten Lage. Investoren meideten Anteile von Zulieferern, bis es wieder klare Sicht gebe auf eine stabile weltweite Autoproduktion.

Im dpa-AFX-Analyser ist das Bild etwas heiterer: Sechs Analysten raten zum Kauf, neun zum Halten und drei zum Verkaufen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 10,93 Euro und damit rund 38 Prozent über dem aktuellen Kursniveau.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Angesichts des Kursniveaus in der Branche könnten risikofreudige Anleger die Chance zum Einstieg sehen. Die Schaeffler-Aktie hat im vergangenen Jahr die Hälfte ihres Wertes verloren, im MDax war das Papier damit der drittschwächste Wert. Dabei markierte der Titel auch neue Rekordtiefs. Im Oktober 2015 waren die Franken zu 12,50 Euro an die Börse gegangen, aktuell notiert die Aktie bei gut 7,93 Euro. Auch vom Rekordhoch bei 17,465 Euro im Dezember 2015 ist sie damit weit entfernt.

An der Börse werden mit den stimmrechtslosen Vorzugsaktien 25 Prozent des Grundkapitals des Konzerns gehandelt, der Rest liegt über Stammaktien in den Händen der Industriellenfamilie Schaeffler. Seit dem in der Finanzkrise missglückten Übernahmeversuch des Konkurrenten Continental sind die Schaefflers auch dort Großaktionär mit einem Anteil von 46 Prozent./men/nas/fba