Von Stephen Wilmot

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Politiker in Europa haben keine einfachen Optionen für den Umgang mit chinesischen Elektrofahrzeugen. Wenn man diese mit einem Zoll von 100 Prozent belegt, so wie es die US-Regierung jüngst getan hat, dann könnte China leicht Vergeltung üben - denn mehr als 300.000 Luxusautos gehen jährlich von der Europäischen Union ins Reich der Mitte. Aber wenn man den derzeitigen Zoll von 10 Prozent so belässt, dann haben chinesische Unternehmen angesichts der beeindruckenden Technologie und des 30-prozentigen Kostenvorteils freie Bahn, um weitere Marktanteile in der EU zu erobern.

Es wird erwartet, dass die Europäische Kommission diese Woche die Ergebnisse einer neunmonatigen Untersuchung der chinesischen Subventionen für Elektroautos bekannt geben wird. Die wahrscheinlichste Vorgehensweise ist ein vorsichtiger Mittelweg - ein Zoll von 25 bis 30 Prozent, der die europäischen E-Fahrzeuge im Großen und Ganzen wettbewerbsfähig mit den kostengünstigeren chinesischen Importen machen würde. Dies könnte immer noch Vergeltungsmaßnahmen auslösen, aber die EU-Exekutive muss etwas tun, um eine wirtschaftlich und strategisch wichtige Branche zu schützen.

Diese politische Realität wird nach den Wahlen zum Europäischen Parlament am vergangenen Wochenende noch deutlicher. In den kommenden Monaten wird eine neue Europäische Kommission die politische Reaktion auf die Elektroauto-Untersuchung überprüfen. Die Argumente für eine Schonung der billigen chinesischen Elektroautos, weil sie Europas Klimaziele unterstützen, werden vermutlich hinter dem wirtschaftlichen Protektionismus zurücktreten.

Es ist fraglich, wie groß der Marktanteil chinesischer Autos in Europa sein wird, zumindest kurzfristig. Nach Jahren bescheidener Zuwächse entfiel laut Schmidt Automotive Research im dritten Quartal 2023 etwa eines von zehn neu verkauften E-Fahrzeugen in Westeuropa auf chinesische Fahrzeuge. Ihr Anteil ging jedoch in den letzten drei Monaten des Jahres zurück, als Frankreich Modelle aus chinesischer Produktion von seinem Subventionsprogramm ausschloss. Hohe Preisnachlässe für chinesische Marken deuten ebenfalls darauf hin, dass der Fortschritt ins Stocken geraten ist.

Viele europäische Verbraucher sind vielleicht noch nicht bereit für chinesische Marken wie BYD. Die mit Abstand meistverkaufte "chinesische" Marke in Europa ist MG, die historisch gesehen britisch ist, jetzt aber zu Chinas SAIC gehört. Laut dem Datenanbieter Jato Dynamics gehörte sie im April nicht einmal zu den zehn meistverkauften Elektroauto-Modellen in der EU. Viele Europäer würden zweifellos durch die niedrigen Preise, wie sie derzeit in China beworben werden, zu chinesischen Marken bekehrt werden. Aber BYD hat seine Fahrzeuge im letzten Jahr zu überraschend hohen Preisen auf den Markt gebracht, vielleicht in Anbetracht der EU-Untersuchung und der Möglichkeit, seine Gewinnspannen zu erhöhen, um einen schwierigen Inlandsmarkt zu kompensieren.


     EU wird kein Risiko eingehen 

Dennoch ist die langfristige Bedrohung des europäischen Marktes durch chinesische E-Fahrzeuge klar und die EU wird kein Risiko eingehen. Eine Folge der höheren Zölle wird eine verstärkte lokale Produktion sein. BYD baut bereits eine Fabrik in Ungarn, während Volvo Cars seinen neuen EX30 ab nächstem Jahr in Belgien produzieren wird, anstatt ihn wie bisher aus China nach Europa zu liefern. Tesla, das sein Model 3 für Europa in seinem Werk in der Nähe von Shanghai herstellt, wird wahrscheinlich nachziehen müssen.

Andere Konsequenzen werden von Chinas Reaktion abhängen. Die chinesische Handelskammer in der EU erklärte letzten Monat, dass Peking eine 25-prozentige Steuer auf importierte Autos mit Großmotoren erwäge. Chinas derzeitiger Zollsatz auf Fahrzeugimporte aus der EU beträgt 15 Prozent. Dieser Schritt würde den deutschen Autobauer Porsche besonders treffen, weil der Konzern etwa ein Viertel seines Umsatzes in China macht und alle seine Autos in Deutschland produziert.

Die Ironie liegt darin, dass die Investoren bisher davon ausgingen, dass Luxusautos von der Bedrohung durch chinesische EV-Importe relativ unbeeinflusst sind. Letztes Jahr war der Markt stattdessen besorgt über die Konkurrenz zu Massenherstellern wie dem französischen Unternehmen Renault. Als die Politiker in Paris und Brüssel reagierten, haben sich die Bedenken verschoben und zu einer Kluft in der Aktienkursentwicklung beigetragen: Die Porsche-Aktie ist innerhalb eines Jahres um 37 Prozent gefallen, während die Renault-Aktie um 55 Prozent gestiegen ist.

Letztendlich ist eine Art "Waffenstillstand", der den Handel aufrechterhält, wahrscheinlich. Die EU ist stärker von Exporten nach China abhängig als die USA, was die Art von Isolationismus, die Washington anstrebt, ausschließt. Das könnte ein Grund sein, sich wieder mehr Sorgen um Renault zu machen, obwohl das französische Unternehmen bei der Senkung der Elektroauto-Kosten Fortschritte zu machen scheint. Dies deutet auf die einzige nachhaltige europäische Antwort auf die chinesischen E-Fahrzeuge hin: die Anpassung an ihre Technologie und Kostenstruktur, zumindest soweit es die lokalen Unterschiede zulassen.

Mit höheren Zöllen kann nur ein wenig Zeit geschunden werden.

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June 12, 2024 03:37 ET (07:37 GMT)