In einer klinischen Studie mit rund 17.600 Erwachsenen über 45 Jahren, die übergewichtig oder fettleibig sind und an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden, reduzierte das Mittel das Risiko eines schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisses um 20 Prozent, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Bei dem dänischen Pharmakonzern befeuert das Hoffnungen, dass die Daten Wegovy vom Image eines Lifestyle-Medikaments befreien könnten. Die Studienergebnisse zeigten, das Wegovy "das Potenzial hat, die Art und Weise zu verändern, wie Fettleibigkeit betrachtet und behandelt wird", erklärte Novo-Entwicklungschef Martin Holst Lange.

Die Aktien von Novo Nordisk, dem nach dem Luxuskonzern LVMH zweitwertvollsten börsennotierten Unternehmen Europas, legten zeitweilig um fast 17 Prozent zu. Der Börsenwert von Novo stieg damit auf ein Rekordhoch von mehr als 300 Milliarden Dollar. Die Papiere des US-Pharmakonzerns Eli Lilly, der ein vergleichbares Abnehmmedikament entwickelt, bekamen ebenfalls Aufwind.

In der Studie erhielten die Probanden, die nicht unter Diabetes litten, einmal wöchentlich eine Dosis von 2,4 Milligramm des Wegovy-Wirkstoffs Semaglutide. Die Untersuchung lief über einen Zeitraum von fünf Jahren. Als schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse wurden kardiovaskulärer Tod sowie nicht tödliche Herzinfarkte und Schlaganfälle definiert. Die Reduzierung des Risikos von 20 Prozent ist deutlich besser als die im Vorfeld von Experten erwarteten 15 bis 17 Prozent.

Die Ergebnisse könnten Krankenkassen womöglich überzeugen, die Kosten für Wegovy für ein breiteres Segment von Patienten zu übernehmen. In den USA kommt die staatliche Krankenversicherung Medicare für ältere Menschen derzeit nicht für Abnehmmittel auf und stuft sie als Lifestyle-Medikamente ein. Die meisten privaten US-Krankenversicherer, die einen Großteil der Amerikaner mittleren Alters abdecken, erstatten dagegen Wegovy für Menschen mit einem Body-Mass-Index ab 30. In den USA hat die Abnehmspritze einen Listenpreis von 1350 Dollar im Monat.

LIEFERENGPÄSSE WEGEN HOHER NACHFRAGE

In Deutschland kam Wegovy gerade erst auf den Markt - mit einem Preis von knapp 302 Euro für die höchste Dosis für vier Wochen. Doch hierzulande müssen Kassenpatienten Wegovy selbst zahlen, weil Medikamente zur Gewichtsregulierung von der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen aufgrund eines über 30 Jahre alten Gesetzes ausgeschlossen sind. Privatpatienten, rund zehn Prozent der Versicherten, bekommen Wegovy nach Angaben des Verbands der privaten Krankenversicherungen erstattet, wenn der Arzt es indikationsbezogen verordnet und sofern keine tariflich bedingten Ausschlüsse vorliegen.

"Die Daten sind ein großer Erfolg für Novo Nordisk. Erstmals konnte gezeigt werden, dass die Gewichtsabnahme unter Wegovy die Sterblichkeit reduziert und zu einer Verbesserung der Morbidität führt", sagte Fondsmanager Markus Manns von Union Investment. "Mit diesen Daten sollte es auch den Krankenkassen leichter fallen, die Kosten für Wegovy zu übernehmen." Novo Nordisk will noch in diesem Jahr in den USA und der EU die Genehmigung für eine Indikationserweiterung für das Mittel beantragen.

Um die Abnehmspritze, die schon Promis wie Tesla-Chef Elon Musk und Reality-Star Kim Kardashian beim Abnehmen geholfen haben soll, ist ein regelrechter Hype entstanden - auch befeuert durch die sozialen Netzwerke. In den USA musste der Hersteller Novo Nordisk bereits den Zugang für neue Patienten beschränken, da er wegen der hohen Nachfrage mit Lieferengpässen kämpft. Wegovy sorgt für ein längeres Sättigungsgefühl und führt in Kombination mit einer Umstellung der Ernährung und sportlicher Betätigung zu einer durchschnittlichen Gewichtsabnahme von rund 15 Prozent. Das Mittel gehört zu der Klasse der so genannten GLP-1-Agonisten, die ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt wurden.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind weltweit über 650 Millionen Erwachsene fettleibig, mehr als dreimal so viele wie 1975, und etwa 1,3 Milliarden sind übergewichtig, was Krankheiten wie Herzkrankheiten und Diabetes verschlimmert.

(Bericht von Maggie Fick in London und Patricia Weiß in Frankfurt, Mitarbeit von Ludwig Burger, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)