Zürich (Reuters) - Schweizer Banken haben Medienberichten zufolge auch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Gelder von heiklen russischen Kunden betreut.

Bei Julius Bär, Reyl und Pictet hielten Familienmitglieder des Chefs eines russischen Staatsbetriebs noch im November 2022 insgesamt rund 40 Millionen Dollar, wie ein Journalistenkollektiv am Donnerstag gestützt auf ein Datenleck eines Zürcher Vermögensverwalters berichtete. Die langjährige Partnerin des Mannes hielt einem Bericht der Zeitung "Tages-Anzeiger" zufolge knapp 26 Millionen Dollar bei Bär und weitere 4,5 Millionen bei Pictet. Die Tochter verfügte neben einem kleinen Konto bei Bär auch über 9,5 Millionen Dollar bei Reyl. Diese seien erst Mitte 2022 eingezahlt wurden.

Weder der Firmenchef selbst noch seine Familienmitglieder stehen auf Sanktionslisten der Schweiz. Doch sind Schweizer Banken verpflichtet, die Vermögen von Personen, die einflussreiche öffentliche Ämter ausüben, besonders gründlich zu prüfen. Der betroffene russische Staatskonzern machte dem Bericht zufolge Stimmung für den Krieg und unterstützte ihn finanziell.

Zu angeblichen oder tatsächlichen Kundenbeziehungen gebe die Bank Bär grundsätzlich keinen Kommentar ab, erklärte eine Sprecherin des Instituts. "Julius Bär hält sich an alle für die Geschäftstätigkeit geltenden Gesetze und Vorschriften."

"ALLE ANFORDERUNGEN VOLLSTÄNDIG ERFÜLLT"

In der Vergangenheit musste sich Bär Vorwürfe gefallen lassen, zu sehr auf Wachstum gesetzt und dabei auch Gelder mit fragwürdiger Herkunft akzeptiert zu haben. In den vergangenen Jahren wurde das Institut aber vorsichtiger und trennte sich von einer Reihe von Kunden. Am Dienstag erklärte Konzernchef Philipp Rickenbacher, die Bank habe ihr Risikomanagement verbessert, um zu vermeiden, dass die Bank potenziell schädlichen Kunden ausgesetzt werde. "Ich denke, dass mittlerweile alle Anforderungen vollständig erfüllt sind", sagte er zu Reuters.

Die Schweiz galt lange Jahre als Hort von unversteuerten Geldern, an denen die Bankbranche gut verdiente. Unter dem Druck des Auslandes gab die Schweiz dieses Geschäftsmodell auf und verschärfte auch den Kampf gegen Geldwäsche. Länder wie die USA werfen der Schweiz aber immer noch vor, im Fall von reichen Russen mit Beziehungen zur Regierung zu wenig konsequent vorzugehen.

Davon will etwa die Bank Pictet nichts wissen: "Insgesamt sind wir äußerst wachsam bei allen Kunden, die mit Russland in Verbindung stehen, und nehmen einen aktiven Risikomanagement-Ansatz", erklärte ein Sprecher. "Dazu gehören Meldungen an Behörden und die Schließung von Konten, wo wir dies für angemessen halten." Zu dem betreffenden Fall wolle sich Pictet nicht äußern, denn gemäß Schweizer Recht dürfe eine Bank keine Aussagen dazu machen, ob jemand Kunde gewesen sei oder nicht.

Bei der Bank Reyl hieß es: "Die Bank hat immer in Übereinstimmung mit allen anwendbaren Gesetzen und Vorschriften gehandelt und wird dies auch weiterhin tun." Die Schweizer Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) reagierte vorerst nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.

Dass Schweizer Banken lange offen waren für Gelder von Russen mit zweifelhaftem Ruf, legt ein zweites in den Medienberichten genanntes Beispiel nahe. Bis mindestens 2021 habe Bär Dutzende Millionen von einem früherer Minister Putins angenommen, obwohl ein internationales Schiedsgericht 2006 zum Schluss gekommen war, dass der Mann Geldwäsche betrieben habe.

(Bericht von Oliver Hirt, John Revill und Tomasz Janowski. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)