Zürich (awp) - Julius-Bär-Chef Philipp Rickenbacher kann sich durchaus vorstellen, schon bald wieder grössere Zukäufe zu tätigen. "Übernahmen waren in der Vergangenheit eine unserer Stärken", sagte er in einem Interview mit der Plattform "The Market" vom Dienstag. Zwar seien seiner Bank derzeit "grosse und komplexe Firmenakquisitionen" noch von der Finanzmarktaufsicht (Finma) verboten.

"Die Auflage wird nächstes Jahr überprüft werden, und basierend auf den Massnahmen, die wir ergriffen haben, bin ich zuversichtlich, dass wir die Restriktion 2021 werden ablegen können", sagte Rickenbacher. Die Finma hatte im Februar 2020 ein so genanntes Enforcement-Verfahren gegen Julius Bär abgeschlossen. Sie stellte beim Vermögensverwalter schwere Mängel bei der Geldwäsche-Bekämpfung fest. Sie wies die Bank an, wirkungsvolle Massnahmen zu ergreifen. Vorher dürfe sie keine grossen und komplexen Übernahmen durchführen.

Übernahmen hätten die Bär zu der globalen Bank gemacht, die sie heute sei, sagte Rickenbacher im Interview. "Und Übernahmen werden auch künftig eine Rolle spielen". Zu einzelnen Namen wollte sich der Manager allerdings nicht äussern. Doch sagte er: "Wir durchleuchten den Markt aktiv, und ich bin zuversichtlich, dass uns in den nächsten Jahren Übernahmen gelingen werden." Dabei wolle man in den Kernmärkten an Masse gewinnen und Skaleneffekte generieren.

Europäische Märkte wichtig

Besonders wichtig seien die europäischen Märkte: Deutschland, Grossbritannien sowie die Iberische Halbinsel. Dort wolle die Julius Bär ihre Position weiter ausbauen. "Brasilien und Mexiko sind unsere beiden grössten amerikanischen Märkte", so der Manager weiter. Und in Asien habe seine Bank in Singapur und Hongkong zwei "ausgezeichnete" Plattformen, von denen aus er den Markt konsolidieren wolle. Was China anbelangt, so sei man jedoch vorsichtig.

Auch zu einer möglichen Finanzierung einer Übernahme äusserte sich Rickenbacher. "Wir hatten in der Vergangenheit immer die Möglichkeit, an den Kapitalmarkt zu gehen, um die Finanzierung für einen sinnvollen Deal zu erhalten." Diese Option stehe seiner Bank auch in Zukunft offen. Übernahmen und Ausschüttungen würden sich dabei gegenseitig nicht ausschliessen.

Was die Zahlen und das aktuelle Geschäftsumfeld anbelangt, so sagte Rickenbacher: "Das Momentum hat über den Sommer angedauert, und die Aktivität der Kunden blieb erfreulich - wenn auch nicht mehr ganz auf dem aussergewöhnlichen Niveau vom ersten Halbjahr." Doch sei er zuversichtlich, dass die Marktbedingungen auch im weiteren Jahresverlauf für eine "sehr ansprechende" Kundenaktivität sorgen werden.

Zinssituation als Herausforderung

Eine Herausforderung für die ganze Finanzbranche sei aber die Zinssituation, sie sei Teil des Margendrucks. "Covid-19 hat den Trend nur beschleunigt." Wenn Ertragskomponenten wegbrechen, müsse man reagieren: das Geschäftsmodell diversifizieren und neue Lösungen anbieten. Bargeldbestände zu horten oder auf Staatsanleihen zu sitzen, rentiere heute weder für die Kunden noch für die Bank, so der Manager.

Was das Neugeld anbelangt - die Überraschung bei den Neunmonatszahlen - so komme dieses "von ausserhalb der Bank, von bestehenden Kunden, die mehr Geld zu uns transferieren, oder Neukunden, die jetzt oder noch kurz vor der Coronakrise eine Beziehung zu uns aufgenommen haben." Dass Kunden ihr Geld neu zur Julius Bär brächten, sei ein "Zeichen des Vertrauens" in die Bank.

Dieses sei hoch, trotz der schweren Mängel in der Geldwäschereibekämpfung, für die die Finma die Bank Bär gerügt hatte. In den letzten drei bis vier Jahren habe das Institut sehr intensiv an den zugrundeliegenden Ursachen gearbeitet. "Dazu zählt das Projekt Atlas, in dessen Rahmen wir alle Kundenbeziehungen überprüft und neu dokumentiert haben. Dazu kam der Umbau unserer gesamten Risikoorganisation und der Geldwäschereiprozesse", erklärte der CEO.

kw/tt