Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Für einen boomenden Absatz brauchen Luxusmodemarken eine wachsende Zahl wohlhabender Menschen und eine sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich. Und in diesem Sinne scheinen maßgeschneiderte Bedingungen im Jahr 2021 einmalig zu bleiben. Laut einem aktuellen Bericht der Credit Suisse kletterte das weltweite Vermögen im vergangenen Jahr um 9,8 Prozent auf 463,6 Billionen US-Dollar und lag damit deutlich über dem Jahresdurchschnitt von plus 6,6 Prozent der vergangenen zwei Jahrzehnte. Das Vermögen der Privathaushalte wurde zugleich durch einen Anstieg sowohl des Wertes von Finanzanlagen wie Aktien als auch der in die Höhe schießenden Immobilienpreise angekurbelt. Kein Land verzeichnete im Jahr 2021 einen Rückgang der Immobilienwerte.

Die Ergebnisse sind vielleicht keine große Überraschung, aber sie erklären, warum Luxusmarken ein so außergewöhnliches Jahr 2021 erlebten. Offenbar fühlten sich die Verbraucher so, als ob sie im Geld schwämmen, und sie hatten nicht viele andere Möglichkeiten, ihr Vermögen auszugeben, während der internationale Reiseverkehr eingeschränkt war. Und so griffen viele von ihnen zu Designerwaren. Dies half den Luxusmodemarken, sich Jahre früher als erwartet von der Pandemie zu erholen. Der Gesamtumsatz der Branche schnellte laut Bain & Company im Jahr 2021 um 33 Prozent auf 288 Milliarden Euro empor und damit über den bisherigen Rekord von 2019.


   Reiche werden reicher 

Derweil entfällt der meiste Wohlstandszuwachs im vergangenen Jahr auf die wichtigsten Märkte der Luxusbranche. Das Vermögen der Haushalte in China und Nordamerika legte laut Credit Suisse um jeweils 15,1 Prozent und 15,5 Prozent zu. Von den 5,2 Millionen neuen Millionären, die es im vergangenen Jahr weltweit gab, entfiel fast die Hälfte auf die USA und ein Fünftel auf China. Auch die Vermögensungleichheit hat in den USA zugenommen, was für Unternehmen, die Luxusgüter verkaufen, von Vorteil ist. Die Gesamtnachfrage steigt, wenn die Reichen reicher werden und die Verbraucher aus der Mittelschicht sich mit Designerwaren eindecken, die sie sich nicht immer leisten können, um mit ihnen Schritt zu halten.

Der Umsatz mit Luxusgütern in China hat im vergangenen Jahr um 36 Prozent zugelegt, da chinesische Käufer, die normalerweise im Ausland einkaufen würden, stattdessen zu Hause zugriffen. Dennoch haben ihre Ausgaben für Luxusgüter noch nicht wieder das Niveau der Vorpandemie erreicht. Die US-Amerikaner haben derweil den Rückstand aufgeholt. Laut Bain wird der Anteil der US-Käufer, die 2019 weltweit 22 Prozent aller Luxusgüter kauften, bis 2021 auf 32 Prozent steigen. Große Luxusmarken wie Hermès und der Gucci-Eigentümer Kering meldeten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 immer noch starke Umsätze, aber die perfekten Bedingungen des vergangenen Jahres schwinden. Der S&P 500 und sein Pendant für China sind seit Januar um jeweils 18 Prozent und 25 Prozent auf Tauchkurs gegangen. Zwar hat sich der US-amerikanische Häusermarkt trotz steigender Zinssätze weitgehend gehalten, aber der durchschnittliche Verkaufspreis für ein bestehendes Haus ist im Juli gesunken, der erste Rückgang gegenüber dem Vormonat seit Januar. Die hohe Inflation bedeutet, dass einige Verbraucher, die sich im vergangenen Jahr Luxus gegönnt haben, jetzt größere Sorgen haben, als mit den Nachbarn mitzuhalten.


   Brasilien und Indien holen auf 

Nach Schätzungen der Credit Suisse wird die stärkste Vermögensbildung in den nächsten Jahren außerhalb der großen Märkte der Luxusbranche stattfinden. Es wird erwartet, dass die Zahl der neuen US-Millionäre bis 2026 um 13 Prozent zulegt. Dies ist zwar in absoluten Zahlen hoch, rangiert aber unter dem prognostizierten weltweiten Durchschnitt von 40 Prozent. In Brasilien und Indien wird sich die Zahl der Millionäre voraussichtlich mehr als verdoppeln. Luxusinvestoren meinen zugleich trotzdem bereits, dass die Party zu Ende geht. Aktien der europäischen Spitzenmarken sind in diesem Jahr im Durchschnitt um 22 Prozent eingebrochen. Längerfristig können Designermarken neue Wohlstandsquellen erschließen, indem sie Geschäfte in Lateinamerika und Afrika eröffnen, wo eine starke Vermögensbildung prognostiziert wird. Dennoch hatte der Luxus im vergangenen Jahr schlichtweg Glück. Die heutige vorsichtige Haltung ist vernünftig.

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September 22, 2022 03:50 ET (07:50 GMT)