Von David Ricketts

LONDON (Dow Jones)--Anwälte prüfen Entschädigungsmöglichkeiten für Inhaber von sogenannten AT1-Anleihen der Credit Suisse. Zu den potenziellen Klägern zählen unter anderem Fidelity International, Invesco, Lazard, Pimco und GAM. Juristen durchforsten die Aussagen der Schweizer Finanzaufsichtsbehörde Finma, die in den Tagen vor der überstürzten Fusion von UBS und Credit Suisse gemacht wurden. Und sie untersuchen, ob Anleger die Regierung des Landes verklagen könnten, nachdem Anleihen der Bank im Wert von 16 Milliarden Franken vernichtet wurden.

Die in den USA ansässige Kanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan, die in der Vergangenheit als die "gefürchtetste Anwaltskanzlei der Welt" galt, organisierte diese Woche eine Zoom-Konferenz mit mehr als 750 Teilnehmern. Ein Team von Anwälten aus den Büros der Kanzlei in Großbritannien, der Schweiz und den USA prüft mögliche Entschädigungsmöglichkeiten für die Inhaber der Additonal-Tier-1-Anleihen (AT1) der Credit Suisse.

Dazu gehört auch eine Klage gegen die Schweizer Regierung. Die Schweizer Finanzaufsicht Finma hatte nur wenige Tage nach der Feststellung, dass die Credit Suisse die für systemrelevante Banken geltenden Kapital- und Liquiditätsanforderungen erfüllt, eine Abschreibung der AT1-Anleihen angeordnet. Fidelity International, Invesco, Lazard, Pimco und GAM gehören zu den Vermögensverwaltern, deren Bestände von Credit Suisse-Anleihen vernichtet wurden. Die Vermögensverwalter betreiben Fonds mit einigen der größten Engagements in AT1-Anleihen der Credit Suisse, wie aus den Daten hervorgeht, die Morningstar den Financial News zur Verfügung gestellt hat. AT1-Anleihen, die im Falle einer Rettung Verluste auffangen sollen, können unter bestimmten Umständen abgeschrieben werden, etwa wenn die Eigenkapitalquote einer Bank unter ein bestimmtes Niveau fällt. Normalerweise würde man erwarten, dass sie in der Kapitalhierarchie über dem Eigenkapital stehen.


   Finma sieht Vorgehen rechtlich abgesichert 

Im Rahmen der zuletzt bekannt gegebenen Rettungsaktion von UBS und Credit Suisse wurden AT1-Anleihen im Wert von rund 16 Milliarden Schweizer Franken auf null abgeschrieben. Die Aktionäre der Credit Suisse erhalten 3 Milliarden Franken. Anwälte haben den Schritt der Aufsichtsbehörde in Frage gestellt und auf eine Erklärung der Finma und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) vom 15. März verwiesen, in der es hieß, es gebe keine Kapital- oder Liquiditätsprobleme bei der Credit Suisse. Rechtliche Anfechtungen könnten in mehreren Jurisdiktionen erhoben werden. Laut den Anwälten von Quinn lassen sich Ansprüche in Ländern geltend machen, die bilaterale Investitionsabkommen mit der Schweiz unterhalten, darunter Singapur, Hongkong, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). US-Anleger könnten auch Ansprüche nach dem Bundeswertpapiergesetz und einigen Gesetzen der US-Bundesstaaten erheben.

Die Finma teilte am Donnerstagmorgen mit, die Abschreibung sei vertraglich gesichert und die Bedingungen dafür erfüllt. "Die von der Credit Suisse ausgegebenen AT1-Instrumente sehen vertraglich vor, dass sie im Falle eines Trigger-Ereignisses (Viability Event), insbesondere bei der Gewährung außerordentlicher staatlicher Unterstützung, vollständig abgeschrieben werden", so die Finma. Mit der Gewährung von außerordentlichen Liquiditätshilfe-Darlehen am 19. März, die mit eines Ausfallgarantie der Regierung gesichert sind, seien die vertraglichen Bedingungen für die AT1-Instrumente erfüllt.


   Bank of England und EZB wollen es im Fall der Fälle anders machen 

Die Entscheidung der Schweizer Behörden, das typische Abschreibungsszenario aufzuheben, veranlasste internationale Aufsichtsbehörden, den Anlegern zu versichern, dass die traditionelle Hierarchie anderswo aufrechterhalten wird. So beteuerte die Bank of England diese Woche, dass AT1-Instrumente in Großbritannien in einer "klaren gesetzlichen Reihenfolge" vor Stamm-Eigenkapital rangieren. "Die Inhaber solcher Instrumente sollten davon ausgehen, dass sie im Falle einer Abwicklung oder Insolvenz in der Reihenfolge ihrer Position in dieser Hierarchie Verluste erleiden werden."

Es gab auch eine gemeinsame Erklärung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung - der EU-Agentur, die dafür sorgt, dass Banken in geordneter Weise scheitern. Darin heißt es, dass Eigenkapitalinstrumente die Verluste zuerst und in vollem Umfang auffangen - und zwar vor einer AT1-Abschreibung. Das sei "in der Vergangenheit konsequent angewendet worden".

Auch andere Anwaltskanzleien prüfen Ansprüche im Namen von AT1-Anleihegläubigern. Die US-Kanzlei Pallas Partners bildet laut Reuters eine Gruppe von Investoren, die die Möglichkeiten von Rechtsstreitigkeiten in der Schweiz, Großbritannien und den USA prüfen. So sind die Anleger verärgert über den Finma-Entscheid, die Credit Suisse-Anleihen abzuschreiben. "Die Finma hat mit der Gesetzesänderung über Nacht und der Aufhebung der Seniorität der Kapitalstruktur sicherlich überrascht", argumentiert Davide Serra, Gründer und CEO von Algebris Investments. "Das hat es noch nie gegeben, und es ist eindeutig ein sehr bedauerlicher politischer Fehler."

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March 23, 2023 07:48 ET (11:48 GMT)