HANNOVER (awp international) - Vor allem dank eines starken Reifengeschäfts hat sich Continental in den vergangenen Monaten weiter aus den Nachwehen der Corona-Krise befreien können. Der beim Konzern verbleibende Kernbereich für zugelieferte Autotechnik bekam dagegen die Knappheit an Computerchips zu spüren - und das Problem dürfte die Branche noch länger unter Druck halten.

Insgesamt gelang es dem Dax-Konzern aus Hannover, nach dem harten Jahr 2020 robuster zu werden. Im zweiten Quartal erzielte Conti einen Nettogewinn von 545 Millionen Euro, vor einem Vorjahr hatten in der ersten Pandemiewelle 741 Millionen Euro Verlust in der Zwischenbilanz gestanden. Wie das Unternehmen am Donnerstag berichtete, gingen nun etliche neue Aufträge ein, beispielsweise für Cockpit-Displays.

Im laufenden Betrieb jedoch blieb die Autozuliefersparte von April bis Juni unerwartet in den roten Zahlen. Deutlich besser liefen das Reifen- und das Kunststoffgeschäft, im Reifenersatz wie auch in der Erstausrüstung etwa von E-Autos mehrerer grosser Fahrzeughersteller.

Dass das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern mit knapp 711 Millionen Euro und einer Marge von 7,2 Prozent deutlich besser ausfiel als von Analysten zuvor im Schnitt geschätzt, konnte der Aktie am Vormittag aber nicht auf die Beine helfen. Genauso wenig wie der dank der Reifensparte leicht erhöhte Ausblick für die fortgeführten Geschäfte insgesamt. Das Conti-Papier verlor zuletzt gut 2 Prozent auf 111,46 Euro. Anfang Juni war es im Hoch noch fast 133 Euro wert gewesen. In den vergangenen zwölf Monaten steht aber auch bei Conti immer noch ein Kursplus von annähernd einem Drittel.

Die Schwäche in der Autozulieferung könnte die starke Entwicklung der Reifen- und Kunststofftechnik im weiteren Verlauf des Jahres zunichtemachen, sagte JPMorgan-Analyst Jose Asumendi. Die weltweite Autoproduktion bleibe ein Unsicherheitsfaktor. Für George Galliers von Goldman Sachs blieb der neue Ausblick hinter den Markterwartungen zurück.

Mitte 2020 waren die Zahlen wie bei vielen anderen Unternehmen der Autoindustrie zunächst auch bei Conti abgestützt. Der Nachfrageeinbruch infolge geschlossener Autohäuser und gekappter Produktion schlug auch auf die Zulieferer durch. Anfang dieses Jahres zeigte sich allerdings bereits etwas Entspannung.

Es gäbe wohl durchweg Anlass zur Zuversicht - wäre da nicht die globale Versorgungskrise bei Halbleiter-Komponenten. Diese stecken in sämtlichen Elektronik-Anwendungen moderner Autos. "Insgesamt werden der Chipengpass sowie steigende Rohstoffpreise die Autoindustrie im gesamten Jahr 2021 belasten", sagte Conti-Chef Nikolai Setzer. Und das in einer Zeit, in der grosse Teile der Kundschaft eigentlich zurück sind und Autobauer versuchen, die Bestellungen abzuarbeiten.

Das Mikrochip-Problem könnte sich noch verschärfen. Die globale Autoproduktion sank vom ersten zum zweiten Quartal um voraussichtlich fast 9 Prozent, besonders in Europa und Nordamerika. Lediglich China konnte sein Niveau in etwa halten. Gleichzeitig drohen weitere Kapazitätsprobleme von Chipfertigern zum Beispiel in Malaysia. Die vorschnellen Stornierungen der Autobranche im Corona-Tief 2020 wurden zudem noch von Ausfällen durch Wetterextreme und Brände überlagert.

Fürs Gesamtjahr 2021 kalkuliert Conti mit etwas geringeren Zuwächsen der Welt-Autoproduktion, die Schwankungen seien hoch. Noch stimmen die zuletzt gelungenen Steigerungen den Konzern relativ optimistisch. Der Umsatz wuchs im zweiten Jahresviertel um fast die Hälfte auf 9,9 Milliarden Euro.

Im September wird die Antriebstechnik von Continental in die neue, börsennotierte Firma Vitesco abgespalten. Ohne das alte Stammsegment erwartet der Vorstand einen Jahreserlös von 33,5 bis 34,5 Milliarden Euro - das ist am unteren Ende des Korridors eine Milliarde Euro mehr als bisher. Als bereinigte operative Gewinnspanne sollen 6,5 bis 7 Prozent vom Umsatz hängen bleiben, statt bisher 6 bis 7 Prozent. Experten rechneten im Schnitt bereits zuvor mit einem Wert von über 7 Prozent.

Ausschlaggebend für die etwas optimistischeren Aussichten ist die Reifensparte. Trotz erneut erhöhter Schätzungen für den Gegenwind durch höhere Rohmaterialpreise geht Conti hier nun von noch besseren Geschäften im Jahr aus. Die gestiegenen Einkaufspreise habe Conti in vernünftigem Mass an die Kunden weitergeben können, sagte Finanzchef Wolfgang Schäfer im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Auch der Trend zu grösseren, lukrativeren Reifen der bei Autokäufern beliebten SUV-Automodelle sei intakt. Hier gewinne Conti auch Marktanteile.

Zum Ende des ersten Halbjahres konnte Conti seine Nettoschulden deutlich von knapp 6 Milliarden (Mitte 2020) auf rund 3,2 Milliarden Euro drücken. Die Zahl der Beschäftigten nahm konzernweit leicht um 0,6 Prozent auf fast 233 400 zu. Etliche Jobs in der klassischen Mechanik und Hydraulik sowie in Reifenwerken werden jedoch abgebaut - neue Stellen entstehen vor allem bei Software und Sensorik./jap/men/zb