Die IG Metall werde einen alternativen Vorschlag machen zu ihrer Forderung nach Zuschüssen für Beschäftigte, die wegen Pflege, Kinderbetreuung oder Schichtarbeit weniger arbeiten wollen, erklärte der baden-württembergische IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger am Mittwoch in Böblingen. "Wir werden mit der Arbeitgeberseite heute einen alternativen Vorschlag diskutieren, der sich anbietet, das Thema zu lösen." Sollten die Arbeitgeber der Gewerkschaft einen großen Schritt entgegenkommen, wäre eine Eskalation des Tarifkonflikts mit 24-stündigen Warnstreiks zu vermeiden. Die Tarifparteien streben einen Pilotabschluss im Bezirk Baden-Württemberg an.

Der Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, Stefan Wolf, kündigte ebenfalls einen neuen Lösungsansatz für die von der IG Metall geforderte individuelle Option auf Arbeitszeitverkürzung an. Hier müsse die Gewerkschaft einen großen Schritt entgegenkommen, forderte er seinerseits. "Ich erwarte, dass wir nach vorne kommen und es schnell lösen können", ergänzte er. In diesem Fall könnten sich die Verhandler nach Beratungen mit den anderen Tarifbezirken auf jeder Seite am Freitagabend wieder im Südwesten für einen Abschluss zusammensetzen. Das Thema Arbeitszeitverkürzung ist so komplex, dass beide Seiten einen Abschluss in einer langen Tarifnacht bis Donnerstag noch nicht für möglich hielten. Am Freitagmittag will der Vorstand der IG Metall entscheiden, ob die Verhandlungen abschlussreif sind oder die Fronten noch so hart sind, dass eine weitere Woche mit verschärften Warnstreiks über 24 Stunden folgen würde. Solche Streiks wären für die Unternehmen in der jetzigen Phase höchster Auslastung kontraproduktiv und schadeten dem Ansehen der deutschen Industrie im Ausland, warnte Wolf.

ARBEITGEBER FÜR KOSTENNEUTRALE LÖSUNG

Die größte deutsche Gewerkschaft verlangt für die 3,9 Millionen Beschäftigten des wichtigsten Industriezweigs eine Lohnerhöhung um sechs Prozent und ein individuelles Recht auf eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf bis zu 28 Stunden. Beschäftigte, die wegen der Pflege von Angehörigen oder Kinderbetreuung kürzer treten wollen, sollen einen pauschalen Zuschuss von um die 200 Euro im Monat bekommen, um sich die Verkürzung leisten zu können. Schichtarbeiter sollten bei zehn zusätzlichen freien Tagen im Jahr 750 Euro jährlich bekommen. Die Arbeitgeber sind bereit zu Teilzeitmodellen, so lange sie andere Beschäftigtengruppen länger als 35 Wochenstunden arbeiten lassen können, damit das gesamte Arbeitsvolumen nicht sinkt. Aber Entgeltzuschüsse lehnten sie strikt ab mit dem Argument, dies benachteilige heutige Teilzeitbeschäftigte und sei deshalb diskriminierend und rechtswidrig. Diese Position sei unverändert, erklärte Wolf. "Wenn wir hier eine Ausgestaltung bekommen, die für unsere Unternehmen kostenneutral ist, dann werden wir uns dem Thema nicht verschließen." Ganz zum Schluss soll die Tariferhöhung ausgehandelt werden - die Arbeitgeber boten bisher zwei Prozent an.

Seit Anfang Januar legten nach Angaben der Gewerkschaft mehr als 900.000 Beschäftigte bundesweit in den Betrieben die Arbeit für einige Stunden nieder, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Am Mittwoch erreichte die Protestwelle mit 170.000 Teilnehmern aus 785 Betrieben einen neuen Höhepunkt. So standen etwa bei Audi in Ingolstadt oder BMW in München die Bänder zeitweise still. Bei Ford in Köln unterbrachen die Entwickler die Arbeit. In Baden-Württemberg beteiligten sich allein rund 54.000 Beschäftigte an den Protestaktionen - etwa bei Mercedes in Gaggenau oder den Autozulieferern Bosch und Mahle-Behr in Stuttgart. "Die Unternehmen machen täglich Gewinn und wir, wir haben nichts davon. Deshalb streiken wir auch", sagte ein Demonstrant bei einer Kundgebung in Neckarsulm, wo sich Tausende Beschäftigte von Audi und Kolbenschmidt mit Trillerpfeifen und roten Fahnen versammelten.