Feindliche und nicht mit dem Vorstand abgestimmte Kaufangebote trieben das Fusionsvolumen in diesem Jahr auf weltweit 3,54 Billionen Dollar, wie aus den am Freitag veröffentlichten vorläufigen Daten von Thomson Reuters hervorgeht. In beinahe 80 Prozent der erfolgreichen Fusionen weltweit sei die Initiative vom Käufer ausgegangen, schätzt Michael Carr, der das Geschäft mit Firmenzusammenschlüssen bei der führenden Investmentbank Goldman Sachs mitverantwortet. "Vor allem wenn Käufer das Gefühl haben, dass sie keine Konkurrenz fürchten müssen, setzen sie ihre Übernahme-Objekte hinter verschlossenen Türen unter Druck - mit der impliziten Drohung, dass sie sich sonst direkt an ihre Aktionäre wenden."

Bestes Beispiel dafür ist eine der größten Übernahmen, die sich in diesem Jahr anbahnte: Der US-Chipriese Broadcom bietet 103 Milliarden Dollar für den Rivalen Qualcomm, obwohl sich dessen Führung nicht auf Gespräche einlassen wollte. Auch in Deutschland kommt das vor: Der finnische Stromversorger Fortum greift nach Uniper, obwohl der Vorstand Sturm dagegen läuft, weiß aber den Großaktionär E.ON auf seiner Seite.

Weil sich solch aggressive Vorgehensweisen häufen, blieb das Volumen der angekündigten Firmen-Zusammenschlüsse 2017 beinahe auf dem Niveau des Vorjahres (3,59 Billionen Dollar). Kredite seien günstig, die Konzernchefs trauten sich große Übernahmen zu und ließen sich von den geopolitischen Risiken nicht stören, sagt Investmentbanker Cyrus Kapadia vom Fusionsberater Lazard.

WENIGER ÜBERNAHMEN IN DEN USA

An den Höchststand seit der Finanzkrise - die 4,22 Billionen Dollar aus dem Jahr 2015 - kam der Markt für Mergers & Acquisitions (M&A) aber nicht heran. Das lag daran, dass das Transaktionsvolumen in den USA um 16 Prozent sank. Zuwächse in Europa (plus 16 Prozent) und Asien (plus elf Prozent) konnten das nicht ganz wettmachen. Goldman Sachs allein mischte als Berater bei Übernahmen im Volumen von 908 Milliarden Dollar mit und blieb damit die Nummer eins unter den Investmentbanken.

Die steigenden Börsenkurse unterstützen einen zweiten Trend: Immer mehr Übernahmen werden - zumindest zum Teil - mit eigenen Aktien bezahlt. Das liege zum einen daran, dass die Deals größer werden, sagt Wirtschaftsanwalt Stephen Arcano von der Kanzlei Skadden Arps. Zum anderen lockten die Käufer das Zielunternehmen und dessen Aktionäre mit der Hoffnung auf einen höheren Erlös, wenn die Aktie nach der Übernahme steigt.

BAYER MUSS MONSANTO-ÜBERNAHME FINANZIEREN

Das unterstreicht auch die Thomson-Reuters-Statistik zu den Aktivitäten am Kapitalmarkt. Das Volumen von Kapitalerhöhungen und Börsengängen ist in diesem Jahr weltweit um 19 Prozent auf 780 Milliarden Dollar gestiegen. Allein Börsengänge brachten mit 179 Milliarden Dollar 35 Prozent mehr ein als ein Jahr zuvor. Bei den Kapitalerhöhungen dominierten freilich europäische Banken wie UniCredit, die Deutsche Bank, Credit Suisse und Santander, die zusammen 35 Milliarden Dollar einsammelten - nicht um zuzukaufen, sondern um ihre Bilanzen aufzumöbeln. Für das neue Jahr wird unter anderem eine große Kapitalerhöhung bei Bayer zur Finanzierung des Monsanto-Kaufs erwartet.

Die große Steuerreform in den USA habe bisher wenig Einfluss auf Fusionen, sagen Investmentbanker. Steuerquoten spielten eine untergeordnete Rolle, wenn Vorstandschefs den Sinn von Zukäufen durchrechneten. Aber das könne sich nächstes Jahr ändern. US-Firmen, die viel Geld im Ausland geparkt hätten, könnten dieses leichter einsetzen um zuzukaufen, argumentiert Investmentbanker Dietrich Becker von Perella Weinberg. Und die Europäer könnten versuchen, von den günstigen Steuersätzen in den USA zu profitierten, indem sie mit Übernahmen dort aktiv würden.