BERLIN (dpa-AFX) - Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer drängen auf zügige Gespräche mit der SPD. "Die Welt wartet nicht auf uns", sagte die CDU-Vorsitzende in ihrer Neujahrsansprache. Aus Seehofers Sicht muss die Bildung der neuen Regierung spätestens Anfang April beendet sein. Allerdings belasten bereits vor Beginn der Sondierungen weitreichende Forderungen der möglichen Koalitionspartner die Gespräche. Die SPD sieht die Union am Zug: CDU und CSU müssten sich auf die Sozialdemokraten zubewegen, sagte die Vizevorsitzende Manuela Schwesig der Deutschen Presse-Agentur.

Merkel sagte in ihrer traditionellen Rede am Silvesterabend, die Politiker hätten den Auftrag, sich um die Herausforderungen der Zukunft zu kümmern. "Diesem Auftrag fühle ich mich verpflichtet - auch und gerade bei der Arbeit daran, für Deutschland im neuen Jahr zügig eine stabile Regierung zu bilden." Seehofer sagte der dpa: "Ostern ist der allerspäteste Zeitpunkt, dann ist Anfang April. Sonst würde ich sagen, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht als Berufspolitiker, wenn man in einer solchen Zeit keine Regierungsbildung zusammenbringt."

Die Spitzen von Union und SPD treffen sich am 3. Januar zu einem weiteren Vorgespräch. Die Sondierungen in größerer Runde beginnen dann offiziell am 7. Januar und sollen schon am 12. Januar abgeschlossen werden. Am 21. Januar entscheidet dann ein SPD-Parteitag über das weitere Vorgehen. Sollte es danach förmliche Koalitionsverhandlungen geben, bräuchte der ausgehandelte Vertragstext noch die Billigung durch einen SPD-Mitgliederentscheid.

Nun müssten die Voraussetzungen geschaffen werden, dass es Deutschland auch in zehn, fünfzehn Jahren gut gehe, sagte Merkel. Sie nannte die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Digitalisierung, aber auch die finanzielle Entlastung von Familien, gute Pflege und die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land.

SPD-Vize Schwesig bekräftigte, sie sei nach wir vor skeptisch. Die SPD habe bei wichtigen Themen wie der Ost-West-Angleichung der Rente oder beim Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit erleben müssen, dass die Union Verabredungen nicht eingehalten habe. Die Union sei "jetzt gut beraten, auf die SPD zuzugehen und nicht gleich wieder zu allem Nein zu sagen", sagte sie.

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster riet im Falle eines Scheiterns der Bemühungen um eine große Koalition zu einer Minderheitsregierung der Union mit den Grünen. "Auch wenn es vielleicht nur eine begrenzte Zeit funktionieren würde, es wird Zeit, dieses Experiment zu testen", sagte Schuster der "Heilbronner Stimme".

In mehreren Politikfeldern grenzen sich Union und SPD bereits vor Beginn der Gespräche voneinander ab. Vor allem über die künftige Bildungspolitik wurde zum Jahreswechsel gestritten, besonders über das sogenannte Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich. Die SPD will es kippen. Die Unionsseite will an der Kompetenzverteilung nicht rütteln.

Vor allem die CSU geht kurz vor der traditionellen Winterklausur ihrer Bundestagsabgeordneten vom 4. bis zum 6. Januar im Kloster Seeon auf Konfrontationskurs zur SPD. Die linke Bildungspolitik sei gescheitert, heißt es in einem Papier, das die Abgeordneten dort beschließen wollen. Sie wollen sich auch für den sofortigen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei starkmachen, für schärfere EU-Regeln bei Flüchtlingen und Grenzkontrollen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte mehr Transparenz über die Abschiebepraxis der Länder. "Es muss eine Verpflichtung für die Länder geben, die Zahl der Abschiebungen monatlich zu veröffentlichen, einschließlich der Gründe für nicht erfolgte Abschiebungen", sagte Dobrindt der dpa am Sonntag.

Seehofer sagte der dpa zum Streitthema Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus: "Wir knicken nicht ein. Wir haben eine klare Vereinbarung mit der CDU. Darin ist vorgesehen, dass der Familiennachzug für Menschen, die nur vorübergehend hier sind, weiter ausgesetzt bleibt. Diese Position ist unsere Verhandlungsgrundlage mit der SPD."

Die CSU spricht sich auch für eine Begrenzung der europäischen Integration aus. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel kritisierte das. "Wir können die Globalisierung nur gestalten, wenn wir in der EU zusammenrücken", sagte er der Passauer Zeitung. "Wer sich dem verweigert, gefährdet die Zukunft Deutschlands wie Europas."

Auf die Erfolge der AfD besonders auf dem Land will die CSU mit einer Offensive für diese Regionen reagieren. Beschlossen werden solle zudem ein "Wachstumsplan für Deutschland", berichtete "Focus Online" unter Berufung auf ein entsprechendes Papier. Die CSU-Abgeordneten schließen zudem Steuererhöhungen und eine Verschärfung der Substanzbesteuerung für diese Legislaturperiode aus. Außerdem fordere man weiterhin einen vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags.

Der Wirtschaftsrat der CDU dringt auf finanzielle Erleichterungen für Bürger und Unternehmen. Angesichts von Rekord-Steuereinnahmen und Haushaltsüberschüssen seien "umfassende steuerliche Entlastungen solide ohne Gegenfinanzierung umzusetzen", sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, der dpa. Forderungen der SPD etwa nach Steueranhebungen für hohe Einkommen lägen fern der globalen Realitäten./poi/DP/he