WASHINGTON/NEW YORK (dpa-AFX) - Harsche Töne aus Washington, Schuldzuweisungen aus Moskau, Alarmbereitschaft in Syrien: Knapp eine Woche nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Duma sorgten Berichte aus Washington für Unruhe, wonach US-Präsident Donald Trump in Syrien deutlich härter zuschlagen will als seine Militärs. Das "Wall Street Journal" schrieb am Freitag unter Berufung auf mehrere Quellen in der Regierung, Trump sei mit den ihm bisher präsentierten eher zurückhaltenden Optionen nicht zufrieden. Der Präsident habe sich in Treffen mit Verteidigungsminister James Mattis dafür stark gemacht, mit einem Militärschlag nicht nur die syrische Regierung zu treffen, sondern auch Russland und den Iran "bezahlen zu lassen".

Russland stufte den Vorfall in der Stadt Duma, bei dem nach unterschiedlichen Angaben zwischen 42 und 85 Menschen durch Giftgas getötet worden sein sollen, als inszenierte Provokation Großbritanniens ein. "Wir haben Beweise, dass Großbritannien an der Organisation dieser Provokation in Ost-Ghuta direkt beteiligt ist", sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Die britische UN-Botschafterin Karen Pierce bezeichnete den russischen Vorwurf als "grotesk", "bizarr" und "offenkundige Lüge". "Es ist die schlimmste Fakenews, die wir bisher von der russischen Propagandamaschine gesehen haben."

Auch die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert, zeigte sich in Washington überzeugt, dass Großbritannien nichts damit zu tun hat. "Wir haben alle miteinander gesprochen und Informationen ausgetauscht, darunter auch Geheimdienstinformationen, und wir können sagen, dass die syrische Regierung hinter diesem Angriff steckte", sagte sie am Freitag. Damaskus und Moskau dementieren dies und argumentieren, es gebe keine Beweise.

Trump hatte am Mittwoch mit einem Angriff auf syrische Stellungen gedroht. Bis zu einer Entscheidung sollten nach Angaben des Weißen Hauses aber weitere Geheimdiensterkenntnisse ausgewertet werden. Trumps Sprecherin Sarah Sanders sagte am Freitag, die USA befänden sich weiter in Abstimmungen und Gesprächen mit ihren Verbündeten.

Das "Wall Street Journal" schrieb, das US-Militär habe bereits mehrere Zeitfenster für einen Angriff vorbereitet gehabt, unter anderem eines in der Nacht zum Freitag. Mattis habe diese aus der Sorge abgesagt, alles andere als ein vorwiegend symbolischer Angriff berge das Risiko einer erheblichen Eskalation vor allem mit Russland. Moskau agiert als Syriens Schutzmacht. Dem Bericht zufolge setzt sich auch Trumps neuer Sicherheitsberater John Bolton für einen "verheerenden Schlag" gegen die Regierung von Präsident Baschar al-Assad und dessen Infrastruktur ein.

Ermittler der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) wollen von Samstag an in Duma untersuchen, ob ein Giftgasangriff stattgefunden hat. Die Verantwortlichen ermitteln sollen sie aber nicht. Die OPCW-Ermittler sollen ihren Bericht über den Vorfall binnen 30 Tagen dem Exekutivrat der OPCW übergeben.

Zuvor hatte eine gemeinsame Ermittlungskommission von OPCW und UN die syrische Regierung für mehrere Giftgasangriffe verantwortlich gemacht. Russland verhinderte mit einem Veto im UN-Sicherheitsrat jedoch mehrfach, dass das Mandat der Kommission verlängert wurde. Im November lief es Mandat aus; Versuche, eine Nachfolger-Kommission zu schaffen, scheiterten im Rat.

In Damaskus machte sich Sorge über einen möglichen Militärschlag der USA breit. Aus regierungsnahen Kreisen in Damaskus hieß es, staatliche und militärische Einrichtungen in der syrischen Hauptstadt seien wegen eines möglichen Angriffs der USA alarmiert worden. Ein dpa-Reporter meldete, in den vergangenen Tagen habe der Verkehr deutlich abgenommen. Manche Menschen trauten sich nachts nicht mehr auf die Straße, weil sie davon ausgingen, dass eine Bombardierung zu dieser Zeit erfolgen werde, berichtete ein Bewohner. Die syrischen Streitkräfte hatten bereits in den vergangenen Tagen begonnen, sich zum Schutz vor einem Angriff von Stützpunkten zurückzuziehen.

Russland warnte die USA vor "unüberlegten Schritten". Washington dürfe die Welt nicht mit Signalen zu einem möglichen Angriff in Syrien in Unruhe versetzen, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. "Wir sind der Meinung, dass die USA in dieser Situation eine deutlich konstruktivere Rolle spielen könnten", sagte der Diplomat der Agentur Interfax zufolge. Außenminister Sergej Lawrow betonte aber auch den russischen Willen zur Deeskalation und sagte, die militärischen Kommunikationskanäle zwischen Moskau und Washington seien intakt.

In New York traten die UN-Botschafter am Freitag erneut zusammen, um über die drohende militärische Eskalation zu beraten. Russlands UN-Botschafter Nebensja sagte, ein Angriff der USA gegen syrische Truppen würde eine "illegale Kampfhandlung gegen einen souveränen Staat" darstellen. Schon eine solche Drohung widerspreche der UN-Charta vollkommen.

Die syrische Regierung habe in mindestens 50 Fällen Chemiewaffen eingesetzt, sagte die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley. In anderen Schätzungen sei sogar von 200 Fällen die Rede. Sie sei "unfassbar stolz", dass Trump einen Militärschlag in Syrien nicht voreilig angeordnet habe. "Wenn man Entscheidungen wie diese überstürzt, macht man einen Fehler", sagte Haley vor der mehr als zweistündigen Sitzung.

Als Option für eine US-Reaktion gelten Raketenangriffe auf ein Objekt oder mehrere ausgewählte Ziele in Syrien. Heikel daran wäre, dass dort stationierte russische Truppen getroffen werden könnten./tjk/jku/cb/thc/jot/ki/DP/he