Die EU komme mit sich selbst auf einen Handelsüberschuss von 307 Milliarden Euro, obwohl hier bei einer korrekten Erfassung aller Im- und Exporte am Ende eine Null stehen müsste, geht aus der am Dienstag veröffentlichten Analyse der Daten aller 28 Mitgliedsstaaten hervor. Messfehler alleine könnten diese systematische Abweichung nicht erklären. Vielmehr scheine dahinter ein massiver Umsatzsteuerbetrug zu stecken, der die EU-Staaten 30 bis 60 Milliarden Euro pro Jahr koste.

"Wenn Unternehmen Umsätze als Exporte deklarieren, sind diese von der Umsatzsteuer befreit", sagten IfW-Präsident Gabriel Felbermayr und Ifo-Forscher Martin Braml. "Werden diese Umsätze aber gar nicht im Ausland erzielt, sondern im Inland, fehlen sie in der Importstatistik des angeblichen Handelspartners und bleiben damit unversteuert." Die beiden Experten empfehlen einen digitalen, automatisierten Datenabgleich von Importen und Exporten innerhalb der EU, um Bilanzfehler künftig zu verringern und Betrug zu erschweren.

Das Bundesfinanzministerium erklärte hingegen, die Differenzen dürften im Wesentlichen auf "Asymmetrien bei der Erfassung der einzelnen Posten der nationalen Leistungsbilanzen zurückzuführen" sein. Deren Aufstellung erfolge zwar grundsätzlich weltweit nach einheitlichen Standards, sagte ein Sprecher Reuters. Dennoch komme es in aller Regel zu Asymmetrien bei der Erfassung, etwa aufgrund länderspezifischer Annahmen und konzeptionell bedingter Schätzungen. Wegen der gestiegenen Komplexität globaler Wertschöpfungsketten und der Finanztransaktionen werde zudem eine regionale Zuordnung und Quantifizierung der einzelnen Posten erschwert. Das Thema sei seit vielen Jahren auf der Tagesordnung – etwa bei OECD, EZB und Bundesbank. "Es gibt bereits verschiedene Ansätze zur Qualitätskontrolle und Initiativen zur Harmonisierung", so der Sprecher. Im Übrigen gehe die Bundesregierung aktiv gegen Umsatzsteuerbetrug vor.

Im Durchschnitt werden den Mitgliedsländern 18 Prozent zu viel Warenexporte und 26 Prozent zu viel Dienstleistungsexporte gemeldet, berichteten das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und das Münchner Ifo-Institut. Besonders ausgeprägt seien die Unterschiede zwischen Nachbarstaaten und Mitgliedsländern mit größeren Unterschieden in den Mehrwertsteuersätzen. Dabei sei die Bilanzqualität der einzelnen Staaten sehr unterschiedlich. Die beste Datenqualität lieferten die Niederlande. Deutschland liege im vorderen Mittelfeld. Zypern, Irland, Luxemburg und Schweden weisen demnach die größten Abweichungen auf.