Von Andrea Thomas

NEW YORK/BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzler Olaf Scholz hat in einer Rede vor den Vereinten Nationen (UN) Russlands Angriff auf die Ukraine als Imperialismus und Desaster für die globale Friedensordnung gebrandmarkt. In seiner ersten Rede vor der UN-Generalversammlung in New York forderte Scholz die internationale Staatengemeinschaft zur Ächtung des russischen Angriffskriegs auf.

Er sicherte zudem der Ukraine Deutschlands Unterstützung im Kampf gegen Russland zu und gab Russland alleinige Schuld an den ausgebliebenen ukrainischen Getreideexporten. Gleichzeitig setzt sich Scholz für eine Erweiterung des UN-Sicherheitsrats um Länder des globalen Südens und für eine Zusammenarbeit mit diesen Ländern auf Augenhöhe ein.

Rund 140 Staats- und Regierungschefs versammeln sich zu dem Spitzentreffen im UN-Hauptquartier in New York. In diesem Jahr geht es bei der Zusammenkunft um eine Positionierungen zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine, aber auch um Klimaschutz und um die globale Ernährungssicherheit angesichts der stark gestiegenen Nahrungsmittelpreise. Besonders in den ärmeren Ländern Afrikas und Asiens hat die russische Darstellung verfangenen, dass die westlichen Sanktionen gegen Russland Schuld seien an den hohen Getreidepreisen.

"Nicht ein Sack Getreide wurde aufgrund dieser Sanktionen zurückgehalten", betonte Scholz hingegen in einem vorab verteilten Redetext für die 77. UN-Generalversammlung. "Russland allein hat die ukrainischen Getreideschiffe am Auslaufen gehindert, Häfen zerbombt und landwirtschaftliche Betriebe zerstört."


   Wer den Hunger ächten will, der muss Russlands Krieg ächten 

Scholz betonte in seiner Rede, dass wer den Hunger ächten wolle, der müsse Russlands Krieg gegen die Ukraine ächten. Man müsse die Weltordnung und die in der UN-Charta festgelegten Regeln verteidigen. Denn die Alternative zur regelbasierten Welt sei nicht die Anarchie, sondern die Herrschaft der Starken über die Schwächeren.

Russlands Präsidenten Wladimir Putin warf Scholz blanken Imperialismus vor. Eine bereits erfolgte Verurteilung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine durch 141 UN-Staaten sei wichtig, aber nicht ausreichend. Vielmehr müsse man verhindern, dass Putin diesen Krieg gewinne.

"Er zerstört dadurch nicht nur die Ukraine, er ruiniert auch sein eigenes Land. Deshalb werden wir keinen russischen Diktatfrieden akzeptieren", versprach Scholz. "Deshalb muss die Ukraine Russlands Überfall abwehren können."

Daher seien Waffenlieferungen an die Ukraine sowie finanzielle, wirtschaftliche und humanitäre Unterstützungen der Ukraine notwendig. Auch wolle man an den Sanktionen gegen Russland festhalten.

Scholz warnte zudem vor wachsendem Nationalismus und forderte mehr internationale Zusammenarbeit.

"Nicht Nationalismus und Isolation lösen die Herausforderungen unserer Zeit", sagte Scholz. "Mehr Zusammenarbeit, mehr Partnerschaft, mehr Beteiligung lautet die einzig vernünftige Antwort, egal ob es um den Kampf gegen den Klimawandel oder globale Gesundheitskrisen, um Inflation und gestörte Handelsketten oder um unseren Umgang mit Flucht und Migration geht."


   Klimaneutralität auch wegen größerer Energiesicherheit 

Mit Blick auf den Klimaschutz versprach Scholz der Staatengemeinschaft, dass man internationale Verpflichtungen wie etwa das Erderwärmungsziel von 1,5 Grad einhalten wolle. Dies wolle man nicht trotz des Kriegs und der Energiekrise, "sondern gerade weil Klimaneutralität auch größere Energiesicherheit bedeutet", so Scholz.

Scholz stellte sich zudem hinter Pläne, bis zur Klimakonferenz in Ägypten im November einen globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken zu entwickeln.

Gleichzeitig wies er auf die globalen Bemühungen der Gruppe von sieben führenden Wirtschaftsnationen (G7), deren Vorsitz Deutschland in diesem Jahr inne hat, sowie der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer hin, enger mit den Ländern des globalen Südens zusammenarbeiten zu wollen.

Scholz rief die UN-Staaten in diesem Zusammenhang dazu auf, einem neuen Bündnis für globale Ernährungssicherung zur Bekämpfung der Hungerkrise und dem geplanten Klima-Club zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens beizutreten.

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September 20, 2022 20:00 ET (00:00 GMT)