Berlin (Reuters) - Angesichts der Zweifel am Wirtschaftsmodell Deutschland hat Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos demonstrativ für Investition geworben.

Anders als vorhergesagt habe Deutschland die Energiekrise gut bewältigt, sagte er in seiner Rede. Deutschland werde 2045 einer der ersten klimaneutralen Industriestaaten der Welt sein, sei hochinnovativ und vor allem stabil. Es gebe kaum ein Land mit "einem solch breiten Einvernehmen zwischen Unternehmen, Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Politik" in der Frage des Umbaus der Industrie. Außerdem verwies Scholz auf eine wachsende Bevölkerung - auch hier hätten die Prognosen nicht gestimmt. In seiner Rede warb er ausdrücklich um Einwanderer: "Wer bei uns mit anpacken will, der ist uns willkommen, so lautet die Botschaft."

Hintergrund sind die Zweifel, ob die hohen Energiepreise das Aus für die deutsche Industrie bedeuten. Scholz widersprach dem vehement. Das deutsche Wirtschaftsmodell habe auch vor der Energiekrise nicht alleine auf der energieintensiven Massenproduktion von Aluminium, Zement oder Rohstahl beruht, sondern auf forschungs- und technologieintensiven, hochspezialisierten Industrieprodukten, die weltweit gebraucht würden. "Auch schon vor Russlands Angriffskrieg gehörten Deutschlands Energiepreise zu den höheren in der Welt. Und dennoch war und ist Deutschland wettbewerbsfähig", sagte der Kanzler. Das liege an "tausenden kleineren und mittelständischen Unternehmen im ganzen Land, die hochinnovativ sind und anpassungsfähig - und gerade deshalb oft Weltmarktführer". Die deutsche Wirtschaft war im letzten Quartal 2022 stärker als erwartet gewachsen, weshalb Scholz schon am Dienstag betonte, dass eine Rezession abgewendet sei.

Scholz hatte bereits Ende Dezember darauf verwiesen, dass man sich von der Vorstellung verabschieden müsse, dass Deutschlands Bevölkerung schrumpfe. "Bislang ist es anders gekommen. Deutschland hat heute so viele Einwohner und so viele Erwerbstätige wie nie zuvor. Und genau diese Entwicklung werden wir fortschreiben", sagte er. Er hatte vor einigen Wochen von einer "plausiblen" Entwicklung von bis zu 90 Millionen Einwohnern in 2070 gesprochen. Die Wirtschaft klagt über einen grassierenden Fachkräftemangel. Die Ampel-Regierung will deshalb die Zuwanderung von Arbeitskräften deutlich erleichtern.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)