FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Preisauftrieb im Euroraum nimmt immer mehr zu. Im November wurde mit 4,9 Prozent die höchste Inflationsrate seit Bestehen des gemeinsamen Währungsraums markiert, wie das Statistikamt Eurostat am Dienstag in Luxemburg mitteilte. Wie ist die Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) zu beurteilen, die den Preisauftrieb nach wie vor als zeitweise Angelegenheit bewertet. Ökonomen zu der Entwicklung:

Ulrich Wortberg, Analyst Landesbank Hessen-Thüringen:

"Zwar betonen die Währungshüter immer wieder, dass wesentliche Teile des Inflationsschubes temporärer Natur seien, inzwischen wird aber eingeräumt, dass die Phase höherer Preissteigerungsraten länger dauern könnte als zunächst prognostiziert. Zinserhöhungsfantasie kommt aber nicht auf. Im Gegenteil: Die mittelfristigen Inflationserwartungen sind zuletzt gesunken, was mit Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Infektionsgeschehen und der Corona-Variante Omikron zu erklären ist."

Jack Allen-Reynolds, Analyst Capital Economics:

"Während wir meinen, dass die Omikron-Variante einen relativ geringen Einfluss auf die Inflation haben wird, dürfte die Gesamtrate bis mindestens Ende nächsten Jahres über dem EZB-Ziel bleiben. (...) Die Auswirkungen der Omikron-Variante auf die Inflation werden gemischt sein. Niedrigere Ölpreise werden die Energieinflation senken, aber wenn die Variante das globale Nachfrage-Angebots-Ungleichgewicht verschärft, könnte die Güterinflation länger höher sein. Der Nettoeffekt könnte gering sein, dürfte aber nach derzeitigem Stand die Gesamtinflation eher senken und die Kerninflation etwas heben."

Christoph Weil, Analyst Commerzbank:

"Im Euroraum ist die Inflationsrate im November auf 4,9 Prozent gesprungen. Dies ist der höchste Wert seit Beginn der Währungsunion. Dabei treiben nicht nur die explodierenden Energiepreise den Verbraucherpreisindex nach oben. Auch die Kernteuerungsrate erreicht im November mit 2,6 Prozent einen neuen Höchststand. Auch wenn die Rate durch Sondereffekte nach oben verzerrt ist, zeigt sie doch, dass der unterliegende Preisauftrieb infolge der Lieferengpässe merklich zugenommen hat."

Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank:

"Die Inflationsrate scheint derzeit nur den Weg nach oben zu kennen. (...) Die Inflationsrate sollte allerdings mit dem November das vorläufige Hoch erreicht haben. In den kommenden Monaten, insbesondere im ersten Halbjahr 2022, sollte die Teuerung merklich fallen. Bislang zeichnen sich auch keine Zweitrundeneffekte ab. In der Eurozone sind nach Angaben der EZB die Tariflöhne im dritten Quartal so schwach gestiegen wie noch nie seit Gründung des gemeinsamen Währungsraumes. Die gesamten Nominallöhne gingen sogar im Jahresvergleich zurück. Damit fehlt es an nötiger Substanz für eine Lohn-Preis-Spirale im kommenden Jahr."

Melanie Debono, Analystin Pantheon Macroeconomics:

"Die erneute Fokussierung der Abwärtsrisiken aufgrund von Corona bedeutet, dass die heutige Veröffentlichung hoher Inflationsdaten für die politischen Entscheidungsträger der EZB weniger problematisch ist. (...) Im Dezember dürfte die Inflation erneut einen Rekord markieren, dann aber nachlassen. (...) Allerdings wird die Dienstleistungsinflation im ersten Halbjahr des nächsten Jahres wahrscheinlich unangenehm hoch bleiben und die Kernrate bei zwei Prozent halten. (...) In der Tat erhöht die Rückkehr des Virus eher das Risiko, dass die EZB sogar beschließt, das Ende von PEPP im März auf Eis zu legen."

/bgf/jkr/jha/