Singen nach Noten, Kommentar zum Immobilienmarkt von Jan Schrader
Frankfurt (ots) - Über Wohnimmobilien wurde schon häufig gesungen, sei es über
einen "Bungalow" (Bilderbuch), ein "Haus am See" (Peter Fox) oder das eigene
Haus "in the Middle of the Street", wie es im Refrain von Madness heißt. Eine
vertraute Melodie, wenn auch noch nicht vertont, haben längst alle Investoren im
Ohr: Ein Wohnhaus ermöglicht stabile Einnahmen, der Kauf lohnt sich auch in der
Peripherie, "German Resi" ist selbst für ausländische Geldgeber hipp. Das
Transaktionsvolumen, das professionelle Investoren im vergangenen Jahr erreicht
haben, liegt im Wohnsegment nach verschiedenen Schätzungen mit 20 Mrd. Euro oder
auch mehr ein gutes Stück über dem Vorjahr, im neuen Jahr reist der Trend nach
Ansicht der großen Maklerhäuser nicht ab. Die meisten Investoren erklären in
einer Umfrage, dass sie in naher Zukunft mehr Wohnobjekte aufkaufen als
verkaufen wollen, Gegenstimmen gibt es dabei keine. Die Preise für Wohnhäuser,
die auch von der Kauflust der Privatleute getrieben werden, sind in der
Coronakrise unbeirrt gestiegen.

Der Investorensong wurde natürlich auch inspiriert durch die neue Erfahrung der
Heimarbeit, vulgo Homeoffice, der das traute Heim für alle ein Stück näher
brachte, die künftige Entwicklung von Büroimmobilien aber weniger sicher
erscheinen lässt. Hotelbesitzer und Einzelhändler haben derweil mit der Bitte um
eine zeitweilige Minderung oder Stundung der Miete für reichlich Dissonanzen mit
den Eignern gesorgt. Wohn­objekte sorgen hingegen für einen angenehmen Ton.

Aber jenseits der Besonderheiten der Coronakrise lebt die einheitliche Melodie
auch von einem Taktgeber, der ein gutes Gespür für das Empfinden der
Investorenschar hat: die Notenbanken. Sie haben dafür gesorgt, dass es kaum noch
vernehmbare Stimmen gibt, die in naher Zukunft ernsthaft mit einer Zinswende
rechnen. Trotz gesunkener Renditen rentieren Immobilien weiter mit einem
Aufschlag zu Staatsanleihen. Was sollen Investoren auch sonst mit ihrem Geld
anstellen, lautet die übliche rhetorische Frage, ein Ohrwurm der Branche.

Die Anlagekultur erfreut sich nur leider keiner Vielfalt mehr - wie schade! Das
wunderschöne Ideal der Markteffizienz, die zu angemessenen Preisen führt, lebt
eben nicht vom Gleichklang der Investoren, sondern von der Vielstimmigkeit der
Masse. Hielten sich die Notenbanken zurück, würde die Musikkultur der
Investorenbranche vielleicht wieder aufleben. Es müssen ja nicht alle gleich die
Talking Heads anstimmen: "Burning Down The House".

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