Milliarden als Tranquilizer, Kommentar zur Schweizerischen
Nationalbank von Daniel Zulauf
Frankfurt (ots) - Ein Rekord ist es doch nicht geworden, aber mit 49 Mrd. sfr 
hat die Schweizerische Nationalbank auch 2019 einen Riesengewinn eingefahren. Es
ist das zweithöchste Ergebnis nach dem 54-Mrd.-sfr-Coup im Jahr 2017. Die 
Verteilungsfrage sorgt in der Schweizer Politik schon seit Längerem für 
intensive Diskussionen. Nachdem zunächst verschiedene Ideen über die Schaffung 
eines Staatsfonds im Raum standen, sind nun andere Vorstellungen in den 
Vordergrund gerückt. So möchte der Schweizerische Gewerkschaftsbund einen 
bedeutenden Teil der Gewinne in die staatliche Vorsorgekasse (AHV) lenken. Er 
kann dabei auf die Unterstützung einflussreicher Politiker aus den beiden 
größten und politisch gewöhnlich weit auseinanderliegenden Parteien, der linken

SP und der nationalkonservativen SVP, zählen.

Die Begehrlichkeiten kommen nicht von ungefähr. Die AHV hat aufgrund der 
ungünstigen demografischen Entwicklung ein bereits akutes und wachsendes 
Finanzierungsproblem. Und in der SNB-Bilanz lockt eine Ausschüttungsreserve von 
weit über 80 Mrd. sfr, mit deren Hilfe sich die politisch schwierige Lösung 
dieses Problems bequem in die Zukunft verschieben ließe.

Aus diesem Spiel will sich die Nationalbank aber um jeden Preis heraushalten, 
weshalb sie nun eine Sonderausschüttung vornehmen will. Über die bereits 
vereinbarte Zahlung von 2 Mrd. sfr hinaus sollen der Bund und die Kantone 
zusätzliche Mittel aus dem übervollen Ausschüttungstopf erhalten.

Der Selbstverteidigungsversuch ist verständlich und richtig, denn die 
Finanzierung der Sozialwerke ist eine staatspolitische Aufgabe. Wird sie auf die
Notenbank übertragen, verliert diese mindestens teilweise ihre in der Verfassung
festgelegte politische Unabhängigkeit. Ob die Sonderausschüttung das
gefährliche
politische Ansinnen aber unterbinden kann, ist eine andere Frage.

Die immense Bilanz der Nationalbank wird dafür sorgen, dass auch in den 
kommenden Jahren hohe Gewinne anfallen. Noch fehlt es an Ideen, wie diese vor 
einem willkürlichen Zugriff durch die Politik geschützt werden können. Vor
allem
die Nationalbank selber hat diesbezüglich noch keinen konstruktiven Beitrag 
geleistet. Das muss sich rasch ändern, denn für die Jahre 2021 bis 2025 muss 
eine neue Ausschüttungsvereinbarung mit dem Finanzministerium gefunden werden.

Diese gilt es so aufzusetzen, dass die ständigen Verteilungsdiskussionen 
aufhören. Die Verabreichung eines einzigen Tranquilizers wird nicht ausreichen, 
um die Gemüter der immer lauter werdenden Anspruchsgruppen zu beruhigen.

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