Kleinstaaterei / Kommentar zum Kohlegipfel von Christoph Ruhkamp
Frankfurt (ots) - Der beschleunigte Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 
kostet inklusive Strukturwandelhilfen, Entschädigungen für die Unternehmen, 
Vorruhestandsgeldern und strompreisdämpfender Staatshilfen annähernd 100 Mrd. 
Euro. Das Geld ist vermutlich gut angelegt. Das Mammutprojekt soll die 
Erderwärmung bremsen. Es läge nahe, dass in den Verhandlungen über den genauen

Fahrplan die Frage im Vordergrund steht, wie mit einem bestimmten Aufwand 
möglichst viel CO2 eingespart wird - oder wie eine bestimmte Menge CO2 mit 
möglichst wenig Aufwand eingespart wird.

Beides scheint kaum noch jemanden zu interessieren. Stattdessen entwickeln sich 
die Verhandlungen auf den letzten Metern im Kanzleramt zu einer kleinkarierten 
Neuauflage des deutschen Ost-West-Konflikts. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident 
Reiner Haseloff verweigerte dabei jeglichen Beitrag seines Bundeslandes, obwohl 
der Löwenanteil der abzuschaltenden Braunkohlekraftwerkskapazität, die bis Ende 
2022 vom Netz gehen soll, ohnehin schon von RWE mit 2,5 Gigawatt im Rheinischen 
Revier beigesteuert wird. Mindestens 0,5 Gigawatt müssen nach den Vorgaben der 
Kohlekommission allerdings noch zusätzlich vom Netz gehen. Ins Auge gefasst 
wurde dafür Schkopau in Sachsen-Anhalt. Dies war aber nach wie vor strittig. In 
Rede steht auch eine Umrüstung von Schkopau auf Gas. Im Gegenzug könnte 
Betreiber Uniper das hochmoderne Steinkohlekraftwerk Datteln in NRW in Betrieb 
nehmen, das praktisch fertiggestellt ist.

Haseloff pocht darauf, dass es im Osten wie zunächst angepeilt in der ersten 
Runde bis Ende 2022 keine Braunkohle-Schließungen geben soll. Angesichts der 
schon beschlossenen Strukturwandelhilfen des Bundes über 40 Mrd. Euro, mit denen
auch in Sachsen-Anhalt neue Straßen und Schienen sowie Arbeitsplätze geschaffen 
werden, scheint Haseloffs Querschießen recht maßlos. Ebenso wie bei der 
Braunkohle wird voraussichtlich auch bei der Steinkohle der Löwenanteil der 
ersten Schließungsrunde im Westen getragen - und zwar im Ruhrgebiet, das wohl 
als ebenso strukturschwach wie Sachsen-Anhalt gelten darf. Vor allem den 
kommunalen Energiekonzern Steag trifft es dort.

Geld sollte nicht an denjenigen fließen, der am lautesten schreit. Es gibt außer
der Energieindustrie auch noch andere Branchen mit strukturellen Schwierigkeiten
wie die Autoindustrie. Alles abzufedern kann teuer werden - und ein Klimaschutz,
der ineffizient vorangetrieben wird, wäre ein schlechtes Vorbild für weniger 
wohlhabende Länder.

(Börsen-Zeitung, 16.01.2020)

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