Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Nach der Rally wegen positiver Impfstoffnachrichten und der Aussicht auf eine geregelte Amtsübergabe an den zukünftigen US-Präsidenten Joe Biden hat sich das Geschehen an den Börsen auf hohem Niveau beruhigt. Daran dürfte sich auch in der kommenden Woche noch nichts ändern. Für eine Jahresendrally ist es noch zu früh und den nächsten großen Impulsgeber dürfte erst die EZB-Sitzung am 10. Dezember darstellen. Die Stimmung bleibt indes gut - etwaige Marktkorrekturen sollten moderat ausfallen.

Für die Börse ist die Coronapandemie mit den Erfolgsnachrichten rund um die Impfstoffkandidaten von Biontech bzw. Pfizer und Moderna weitgehend abgeschlossen. Das wird deutlich am Rotationswechsel an den Börsen in zyklische Sektoren. Insbesondere Aktien der Reisebranche haben sich kräftig erholt. Der Trend dürfte anhalten - und das, obwohl die Infektionszahlen hoch bleiben, die Lockdowns in Deutschland gerade verlängert worden sind und die europäischen Wirtschaftsdaten auf das Risiko eines erneuten Rückfalls in die Rezession hindeuten.


   Impfstoff dürfte im Dezember zugelassen werden 

Schwache Konjunkturdaten werden aber seit geraumer Zeit an den Aktienmärkten ignoriert. Daran wird sich in der kommenden Woche wohl nichts ändern - unabhängig davon, wie diese ausfallen werden. Die ersten Impfstoffe dürften in Europa und den USA bereits im Dezember zugelassen werden, dann sollte es auch sehr zügig mit dem Impfen für besonders gefährdete Gruppen losgehen. Die Börsen gehen davon aus, dass sich das Leben im kommenden Jahr normalisieren und, damit einhergehend, sich die Wirtschaft stark erholen wird.

Für einen weiteren Ausbruch nach oben bedarf es frischer Impulse. Diese könnte die EZB auf ihrer Sitzung am 10. Dezember setzen. Die meisten Beobachter rechnen mit einem großen Maßnahmenpaket. Sehr wahrscheinlich ist die Verkündung einer deutlichen Aufstockung bzw. Verlängerung des PEPP-Pandemieprogramms sowie neuer TLTRO-Langfristtender. Aus Marktsicht ist dabei besonders erfreulich, dass die Maßnahmen vermutlich auch nach Abflauen der Krise Bestand haben werden - das spricht für ein gutes Börsenjahr 2021.

Angesichts des Endes der Berichtssaison und der weitgehenden Leere in den Terminkalendern zeichnet sich in der kommenden Woche indes ein ruhiges Geschäft ab. Hochkarätige Daten kommen nur aus den USA mit neuen Zahlen zum Arbeitsmarkt. Diese werden die Aktienmärkte aber kaum beeindrucken. Die Commerzbank geht davon aus, dass die US-Beschäftigung wohl weiter gestiegen ist, aber deutlich langsamer. Auch in den USA machen sich zunehmende Kontaktbeschränkungen in den Zahlen bemerkbar.


   EZB-Sitzung könnte Startschuss für Jahresendrally liefern 

Korrekturen an den Börsen sind angesichts der sportlichen Höhenlage natürlich jederzeit möglich. Dafür spricht das Sentiment. Laut der jüngsten DAX-Sentimenterhebung der Deutschen Börse sind mehr als 50 Prozent der Anleger bullisch eingestellt. Auch in den USA liegt der Bullenanteil weiter über dem historischen Durchschnitt. Zudem spricht der haussierende Euro für eine Korrektur. Mit einem Kursanstieg von 7 Prozent in diesem Jahr werde der Euro mehr und mehr zum Risiko für deutsche Exporte, warnt QC Partners.

Ein möglicher Kursrutsch wird überschaubar ausfallen. Zu schwer wiegt die Liquiditätsflut der Zentralbanken und zu wenig attraktiv sind die Alternativen aus Anlegersicht. FOMO - Fear of missing out -, also die Sorge, die Rally nach oben zu verpassen, treibt angesichts von Nullzinsen die Anleger seit Jahren um. Hinzu kommt, dass die Voraussetzungen für eine Jahresendrally gut sind. Den Startschuss könnte die anstehende EZB-Sitzung liefern. Nicht auszuschließen, dass noch vor dem Jahreswechsel das bisherige Allzeithoch im DAX von 13.795 Punkten fallen wird.

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com

DJG/mpt/flf

(END) Dow Jones Newswires

November 27, 2020 07:53 ET (12:53 GMT)