TOKIO (awp international) - Die Glaubwürdigkeit der japanischen Notenbank hat einen weiteren Kratzer erlitten. Nach ihrer Zinssitzung am Mittwoch senkte die Bank of Japan zum wiederholten Mal und teils deutlich ihre Inflationsprognosen bis ins Haushaltsjahr 2020. Ihr Preisziel von zwei Prozent, Hauptantrieb der seit sechs Jahren extrem lockeren Geldpolitik, gerät damit immer mehr ausser Reichweite. Zumal der japanischen Wirtschaft Ungemach droht angesichts erheblicher Wachstumsrisiken.

Wie die Bank of Japan in Tokio mitteilte, bleibt sowohl ihre Zinspolitik als auch ihr Anleihekaufprogramm unverändert. Nach wie vor beträgt der kurzfristige Leitzins minus 0,1 Prozent, während die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen um die Null-Prozent-Marke gehalten werden soll. Im vergangenen Jahr hatte die Notenbank eine Flexibilisierung dieser Zinskurvensteuerung vorgenommen. Seither darf der Zehnjahreszins etwas um die Nulllinie herum pendeln.

Deutlich nach unten ging es dagegen mit den Inflationsprognosen. Für das Anfang April beginnende Haushaltsjahr 2019 erwarten die Währungshüter jetzt eine Teuerung von lediglich 0,9 Prozent. Bisher hatte die Prognose 1,4 Prozent betragen. Für das Fiskaljahr 2020 lautet die Vorausschätzung 1,4 Prozent, anstatt der bisher veranschlagten 1,5 Prozent.

Fachleute sprachen von den stärksten Prognosesenkungen, seit Notenbankchef Haruhiko Kuroda im Jahr 2013 seinen Posten angetreten und eine extrem lockere Geldpolitik eingeleitet hatte. Seither hat die Notenbank ihre Bilanz durch Wertpapierkäufe massiv ausgeweitet. Doch die dadurch geschaffene Liquidität hat die chronisch schwache Teuerung nicht signifikant anheben können. "Gibt es noch irgendjemanden, der an die Inflationsprognosen der Bank of Japan glaubt", fragt deshalb Commerzbank-Expertin Thu Lan Nguyen. Wahrscheinlich glaube selbst die Notenbank nicht mehr daran.

Im Gegensatz zu den Inflationsprognosen hob die Bank of Japan ihre Wachstumserwartungen überwiegend etwas an. Die deutliche Reduzierung des Wachstums für das bald endende Fiskaljahr 2018 von 1,4 auf 0,9 Prozent kann dabei mit den schweren Naturkatastrophen erklärt werden, die Japan im vergangenen Jahr heimgesucht haben. Für 2019 werden jetzt 0,9 Prozent und 1,0 Prozent Wachstum für 2020 erwartet, etwas mehr als die bisherigen Erwartungen von je 0,8 Prozent. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte Anfang der Woche seine Wachstumsprognosen für Japan angehoben.

Ob sich die günstigeren Prognosen aber bewahrheiten, ist angesichts hoher Wachstumsrisiken fraglich. So sieht sich die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt sowohl Risiken von Aussen als auch von Innen ausgesetzt. Ein grosses Binnenrisiko sehen Volkswirte in der für Oktober geplanten Anhebung der Mehrwertsteuer, die wegen konjunktureller Sorgen schon einmal verschoben wurde. Traditionell reagieren die japanischen Verbraucher mit deutlicher Kaufzurückhaltung auf höhere Verbrauchsteuern. Nach der jüngsten Anhebung vor gut vier Jahren war die Wirtschaft in eine Rezession gestürzt.

Ausserhalb Japans türmen sich die Risiken. Das grösste Wachstumsrisiko sehen Ökonomen in dem Handelsstreit zwischen den USA und China. Schon jetzt belastet der Streit die Weltwirtschaft und hat insbesondere dem asiatischen Wirtschaftsraum zugesetzt. Eine Eskalation des Disputs würde das stark exportorientierte Japan mit voller Wucht treffen.

Bereits jetzt sind in Japan die Auswirkungen des Handelsstreits zwischen den USA und China spürbar. Nach Regierungszahlen vom Mittwoch gingen die Ausfuhren Japans im Dezember um 3,8 Prozent zurück und damit so stark wie seit rund zwei Jahren nicht mehr. Im Gesamtjahr 2018 verzeichnete Japan erstmals seit drei Jahren ein Handelsdefizit. Das war jedoch vor allem auf deutlich höhere Energiekosten zurückzuführen. Japan importiert einen Grossteil seiner Energie, etwa in Form von Erdöl und Erdgas. Steigen deren Preise, belastet das die Aussenhandelsbilanz./bgf/jsl/jha/