Berlin (Reuters) - Die Auftragsbücher der deutschen Industrie füllen sich angesichts der stärkeren Inlandsnachfrage und der anziehenden Weltkonjunktur schneller als gedacht.

Im März wuchsen die Bestellungen um 3,0 Prozent zum Vormonat und damit bereits zum dritten Mal in Folge, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Anstieg von 1,7 Prozent gerechnet. Gemessen am Februar 2020, dem Monat vor Beginn der Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie, liegen die Bestellungen nun um 9,1 Prozent höher. "Die deutsche Industrie kann sich derzeit vor Aufträgen kaum retten", sagte Ökonom Jörg Angele vom Vermögensverwalter Bantleon.

Die große Frage bleibt allerdings, wie schnell die Bestellungen abgearbeitet werden können. "Die sprunghafte Erholung der Nachfrage führt auch zu ungewollten Bremseffekten", warnte der Chefvolkswirt von Union Investment, Jörg Zeuner. "In einigen Branchen ist die Nachfrage so stark gestiegen, dass Vorprodukte knapp geworden sind." Einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge klagten im April 45 Prozent der Industriebetriebe über Engpässe bei Vorprodukten wie Halbleiter - so viele wie noch nie. Der Autozulieferer Continental rechnet erst im zweiten Halbjahr mit einem Nachlassen des weltweiten Lieferengpasses von Computerchips. "Wir sehen, dass das zweite Quartal wahrscheinlich der Höhepunkt der Knappheit ist und es dann besser werden wird", sagte Continental-Finanzchef Wolfgang Schäfer. Es sei nicht sicher, ob der Nachholbedarf in der Produktion schon bis Jahresende ganz gedeckt werden könne.

"Es bleibt das Dilemma, dass Aufträge schneller verteilt als abgearbeitet werden", sagte dazu der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger. "Produktion wird dadurch nicht verhindert, eine beständig höhere Dynamik allerdings schon." Bereits im März scheint es bei der Produktion aber eine leichte Besserung gegeben zu haben: Dafür spricht der Anstieg der Industrieumsätze, die um 2,0 Prozent höher waren als im Februar. "Das macht Hoffnung, dass die lebhafte Nachfrage nun auch die Produktion wieder steigen lässt, die zuletzt durch Materialmangel gebremst wurde", sagte Commerzbank-Experte Ralph Solveen.

Die Aufträge aus dem Inland legten diesmal um 4,9 Prozent zu. Das Auslandsgeschäft wuchs um 1,6 Prozent. Dabei nahmen die Bestellungen aus der Euro-Zone um 0,7 Prozent zu, die aus dem restlichen Ausland um 2,2 Prozent. Gefragt waren beispielsweise Investitionsgüter wie Maschinen und Fahrzeuge: Hier zog die Nachfrage um insgesamt 2,5 Prozent an, die nach Konsumgütern sogar um 8,5 Prozent. Hersteller von Vorleistungen meldeten ein Plus von 2,8 Prozent.

Die exportabhängige deutsche Industrie kann in den kommenden Monaten von der Erholung des Welthandels von der Corona-Krise profitieren. Nach dem historischen Einbruch 2020 dürfte die Weltwirtschaft dieses Jahr um 6,0 Prozent zulegen und damit so stark wie seit 1976 nicht mehr, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) voraussagt. Treiber sollen die beiden wichtigsten Abnehmer von Waren "Made in Germany" sein: die USA und China.