Von Hans Bentzien

WASHINGTON (Dow Jones)--Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft im laufenden Jahr wegen der grassierenden Omikron-Variante des Coronavirus, unerwartet hoher Inflationsraten und der Probleme des chinesischen Immobiliensektors etwas gesenkt. Wie aus der aktualisierten Fassung des Weltwirtschaftsausblicks hervorgeht, wurde die Prognose für 2023 indes leicht angehoben. Der IWF erwartet für 2022 einen Anstieg des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 4,4 (Oktober: 4,9) Prozent und für 2023 einen Zuwachs von 3,8 (3,6) Prozent. Besonders deutlich wurden die Wachstumsprognosen der USA, Deutschlands, Chinas und anderer Schwellenländer zurückgenommen.

"Die Weltwirtschaft startet aus einer unerwartet schwachen Position in das Jahr 2022", schreibt der IWF. Wegen der Omikron-Variante hätten die Länder erneut Mobilitätsbeschränkungen verhängt, steigende Energiepreise und Lieferunterbrechungen führten zu einer höheren und breiter angelegten Inflation, insbesondere in den USA und in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern. "Die anhaltende Schrumpfung des chinesischen Immobiliensektors und die unerwartet langsame Erholung des privaten Verbrauchs haben die Wachstumsaussichten ebenfalls gemindert", so der IWF.


   IWF plant nicht mehr fest mit Umsetzung von US-Ausgabenprogramm 

Das US-BIP wird laut seiner aktuellen Prognose 2022 und 2023 um 4,0 (5,2) und 2,6 (2,2) Prozent steigen. Eine Umsetzung des großen staatlichen Ausgabenprogramms "Build Back Better" ist jetzt nicht mehr Teil des IWF-Basisszenarios, dafür geht der IWF jetzt von einer früheren Straffung der Geldpolitik und länger anhaltenden Lieferkettenstörungen aus. Letztere sind auch der wichtigste Grund dafür, dass der IWF Deutschlands BIP-Prognose für 2022 auf 3,8 (4,6) Prozent senkte. Allerdings fiel die Anhebung der Prognose für 2023 mit 2,5 (1,6) Prozent sogar noch etwas stärker aus.

Frankreichs Wachstumsprognosen änderte der IWF auf 3,5 (3,9) und 1,8 (1,8) Prozent, Italiens auf 3,8 (4,2) und 2,2 (1,6) Prozent und Spaniens auf 5,8 (6,4) und 3,8 (2,6) Prozent. Die Prognosen für den gesamten Euroraum lauten nun auf 3,9 (4,3) und 2,5 (2,0) Prozent.


   Null-Covid-Politik belastet Chinas Wachstumsaussichten 

Nennenswerte Prognosesenkungen gab es auch bei großen Schwellenländern. China traut der IWF nur noch 4,8 (5,6) und 5,2 (5,3) Prozent Wachstum zu. Der IWF begründet das mit den wirtschaftlichen Störungen durch die strikte Null-Covid-Politik und den Stress im Immobiliensektor. Brasiliens Wachstumsprognosen wurden auf 0,3 (1,5) und 1,6 (2,0) Prozent gesenkt. Für Mexiko erwartet der IWF 2,8 (4,0) und 2,7 (2,2) Prozent Wachstum und für Indien 9,0 (8,5) und 7,1 (6,6) Prozent.

Die Wachstumsrisiken sind laut IWF abwärts gerichtet, die wichtigsten Risiken sind das Coronavirus im Allgemeinen und die Omikron-Variante im Besonderen. "Trotz der schnellen und effektiven Einführung von Impfprogrammen in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften, sind die Impfprogramme in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern Volkswirtschaften zu langsam", heißt es in dem Bericht.


   Impfrückstand in Schwellenländern könnte zum Problem werden 

Dieser schleppende Fortschritt sei ein Faktor, der den Aufschwung in den "untergeimpften" Ländern gebremst habe. Das größte Risiko von dieser Seite sind laut IWF die Auswirkungen der Omikron-Variante. "Selbst wenn Symptome weniger schwerwiegend sind, könnte die erhöhte Übertragbarkeit dennoch zu einem Arbeitskräftemangel führen, die Gesundheitssysteme zusätzlich unter Druck setzen und zu strengeren bzw. länger andauernden Mobilitätsbeschränkungen über das betroffene Land hinaus führen."

Beunruhigt ist der IWF auch über die hohe Inflation. Er erwartet, dass sie länger anhalten wird als im Weltwirtschaftsausblick vom Oktober prognostiziert, da Lieferkettenunterbrechungen und hohe Energiepreise 2022 anhalten dürften. "Unter der Annahme, dass die Inflationserwartungen gut verankert bleiben, dürfte die Inflation allmählich zurückgehen, wenn die Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage im Jahr 2022 abnehmen und die Geldpolitik in den großen Volkswirtschaften reagiert", prognostizierte der IWF.

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January 25, 2022 09:00 ET (14:00 GMT)